Streitthema Parken in Köln: Sieben Lösungsansätze
Mobilitätsexperte Prof. Dr. Roman Suthold vom ADAC Nordrhein nennt sieben Lösungsansätze für ein städtisches Parkraumkonzept in Köln.
Parkdruck, Suchverkehr, Gebührengestaltung, Anwohnerparken, Flächenkonkurrenz im öffentlichen Straßenraum – Prof. Dr. Roman Suthold, Leiter Verkehr und Umwelt des ADAC Nordrhein, bezieht Stellung zum Streitthema Parken in Köln.
Der 49-jährige Mobilitätsexperte nennt sieben Lösungsansätze für ein städtisches Parkraumkonzept:
1. Flächenkonkurrenz im öffentlichen Raum: Quartiersgaragen als zentraler Baustein für Mobilität in der Stadt
„Die Flächenkonkurrenz gehört zu den großen Herausforderungen in der Stadt. Den Autofahrern einfach pauschal Fahrspuren und Parkplätze wegzunehmen, ist aber zu kurz gedacht. Dann erhöht sich angesichts der ungebrochen hohen Zulassungszahlen in Köln nur der Parkdruck im weiteren Umfeld.
Besonders in hochverdichteten Wohnquartieren sollten parkende Autos aus dem öffentlichen Straßenraum in Quartiersgaragen verlagert und dort gebündelt werden. Quartiersgaragen bieten die Chance, den ruhenden Verkehr – bei gleichzeitig geringem Flächenverbrauch – effizienter abzuwickeln. Die Aufenthaltsqualität steigt und es entsteht mehr Platz, zum Beispiel für Fahrradstreifen und Fußwege. Allein in Düsseldorf gibt es beispielsweise mehr als 60 Quartiersgaragen. Köln hingegen hat bisher nur sehr wenige und großen Nachholbedarf. Oberirdische Lösungen sind kostengünstiger und können dank einfacher Palettenbauweise flexibel wieder zurückgebaut werden, wenn der Pkw-Anteil im Quartier sinkt. Eine Tiefgarage reduziert den oberirdischen Flächenbedarf und schafft Platz für andere Nutzungsformen, ist aber deutlich teurer und unflexibler als Parkpaletten.
Auf oder in einer Quartiersgarage lassen sich andere Mobilitätsangebote wie Bike- und Car-Sharing integrieren. Damit werden Quartiersgaragen zum wichtigen Bestandteil von sogenannten Mobilitätsstationen. Sie verknüpfen die verschiedenen Verkehrsmittel durch eine gute Anbindung an ÖPNV und Fahrradinfrastruktur sowie Bike- und stationsbasiertes Car-Sharing. Mehr Menschen können so auf das eigene Auto verzichten. Das entlastet die Parkraumsituation.“
2. Parksuchverkehr in Köln: Mit digitalem Parkraummanagement den vorhandenen Platz besser nutzen
„In Köln sind bis zu 30 Prozent des Verkehrs Parksuchverkehr. Jeder Umweg, der gefahren wird, um einen Parkplatz zu finden, ist ein Nachteil für die Umwelt. Ja, wir brauchen weniger Autos in der Stadt. Wir müssen aber auch den vorhandenen Parkraum besser zu nutzen. Schätzungen zufolge ist selbst in Spitzenzeiten der Parkraum durchschnittlich nur zu 70 Prozent ausgelastet. Hier kann man unheimlich viel über Daten optimieren, indem man Anbieter und Nachfrager schnell zusammenbringt.
San Francisco hat in einem Modellprojekt mit seinem Parkleitsystem SFpark gezeigt, dass bis zu 50 Prozent des Parksuchverkehrs vermeidbar sind. Drahtlose Sensoren in der Fahrbahn ermitteln die Stellplatz-Kapazitäten im Stadtgebiet und übermitteln Informationen über freie Parkplätze an die Nutzer. In Parkhäusern geschieht dies beim Ein- und Ausfahren. So wissen die Autofahrer, wo momentan Parkplätze verfügbar bzw. schwer zu finden sind. In Köln-Nippes gibt es ein ähnliches Projekt, bei dem Sensoren freie Parkplätze erkennen und Autofahrer über LED-Displays an Laternenmasten dorthin gelotst werden. Laut RheinEnergie hat sich der durchschnittliche Parksuchverkehr seit Beginn des Projekts um 45 Prozent verringert. Digitales Parkraummanagement ist der richtige Ansatz.
Potential bieten auch private Parkplätze und Firmenparkplätze. Wer den ganzen Tag nicht da ist, kann doch für diesen Zeitraum seinen Parkplatz weitergeben. Das Kölner Start-Up Ampido vermittelt zum Beispiel über eine App private Stellplätze. Auch Mitarbeiterstellplätze, die abends leer stehen, können privat für einige Stunden vermietet werden.“
3. Parkgebühren: Flexible Preise, günstigere Parkhäuser und „Brötchentaste“ erhalten
„Dass die Parkgebühren steigen, je näher man an die Kern-Innenstadt kommt, ist nachvollziehbar und richtig. Die Möglichkeit, mit der „Brötchentaste“ in stark frequentierten Geschäftsstraßen 15 Minuten kostenlos zu parken muss aber erhalten bleiben. Zudem sollten die Gebühren in Parkhäusern immer günstiger sein als auf Stellplätzen entlang der Straße. Eine Idee für fairere Parkgebühren könnten auch flexible Preise sein, die sich an der Auslastung orientieren. Die Preise der Parkautomaten und Parkhäuser werden dabei regelmäßig nach oben oder unten korrigiert: Je höher die Nachfrage, desto höher der Preis und umgekehrt.
Digitale Bezahlmodelle mit minutengenauer Abrechnung, zum Beispiel per App, müssen überall Standard werden. Kontakt- und ticketloses Ein- und Ausfahren im Parkhaus und eine automatische Abrechnung am Monatsende sind längst nicht mehr neu. Die Bargeldzahlung am Parkscheinautomaten kann mittelfristig abgeschafft werden. Besucher sollten aber eine Möglichkeit haben, auch ad hoc – ohne App und Datenhinterlegung – zumindest per Giro- oder Kreditkarte zahlen zu können.“
4. Anwohnerparken: Gebühren sozialverträglich gestalten und Alternativen aufzeigen
„Dass Städte wie Köln knappen Parkraum effektiver bewirtschaften und die sehr niedrigen Gebühren für Bewohnerparkausweise anheben wollen, ist nachvollziehbar. Die Möglichkeit, in der Innenstadt zu leben und in angemessener Nähe zum Wohnort zu parken, darf aber keine soziale Frage werden, so dass sich nur noch Menschen mit eigenem Stellplatz oder ausreichend Budget ein Auto erlauben können. Wir fordern die Stadt deshalb auf, die Gebühren sozialverträglich zu gestalten, für die Anwohner zumutbare Höchstsätze festzulegen und auch die Größe des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Wir erwarten von der Stadt Köln daher ein Gesamtkonzept, das über die Gebührengestaltung hinausgeht und Anwohnern Alternativen aufzeigt. Dazu zählen zum Beispiel ein günstiger und zuverlässiger ÖPNV mit dichtem Takt, Radwege, die ihren Namen auch verdienen, und Quartiersgaragen. Eine oberirdische Parkpalette für Anwohner könnte zum Beispiel in Köln-Ehrenfeld hinter der Moschee sinnvoll sein und sollte geprüft werden.“
5. Park+Ride-Anlagen: Angebot ausbauen und Nutzung mit ÖPNV-Ticket verknüpfen
„P+R-Anlagen können dazu beitragen, das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt zu reduzieren. Es müssen aber auch genügend Stellplatz-Kapazitäten rund um Köln vorhanden sein. Außerdem macht es Sinn, die Nutzungsberechtigung mit einem ÖPNV-Ticket zu koppeln. P+R-Anlagen sind umso attraktiver, je besser sie an den ÖPNV angebunden sind. Voraussetzung, um mehr Einpendler zum Umsteigen am Stadtrand zu bewegen, ist: Die Fahrt mit der Bahn darf weder teurer sein, noch länger dauern als mit dem Auto. Hier gibt es Optimierungsbedarf beim ÖPNV hinsichtlich der Preisgestaltung, des Taktes und der Fahrzeug-Kapazität.“
6. Parken von Fahrrädern und E-Scootern: Klare Vorgaben und mehr Fahrradparkhäuser
„Wir brauchen Stellflächen und klare Vorgaben in Sachen Parken auch für Fahrräder und E-Scooter. Viel zu oft blockieren Räder und Scooter in Köln nach wie vor Geh- und Fahrradwege und werden so zur Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. So geht es nicht mehr! Mehr Fahrradparkhäuser an den großen Verkehrsknotenpunkten in Köln sind ein Ansatz. Hier lohnt sich ein Blick in die Niederlande. In Utrecht gibt es inzwischen genauso viele Parkhäuser für Fahrräder wie für Autos.“
7. Liefer- und Ladezonen: Digitales Lieferzonenmanagement gegen Parken in zweiter Reihe einsetzen
„Die negativen Effekte des stark wachsenden Lieferverkehrs können durch ein digitales Lieferzonenmanagement entschärft werden. Beispiel Stuttgart und Wiesbaden: Durch die Nutzung einer App erhalten Paketdienste die Möglichkeit, in Lieferzonen Zeiten zu „buchen”, um Stau und Parken in zweiter Reihe bei der Anlieferung zu verhindern. Die Stadt hat Zugriff auf diese Daten und kann die Einhaltung der Lieferzeiten kontrollieren. Gleichzeitig muss Köln konsequent gegen Falschparker in Ladezonen vorgehen, sonst parken Lieferdienste aus Mangel an Alternativen doch wieder in zweiter Reihe. Das gefährdet insbesondere die Sicherheit von Radfahrern und dem Fahrer des Lieferdienstes drohen 55 bis 110 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in Flensburg. Zu Absicherung von Lieferzonen könnte die Stadt Köln verstärkt auch versenkbare Poller einsetzen.“
Steckbrief Prof. Dr. Roman Suthold: Prof. Dr. Roman Suthold (49) ist seit 2004 beim ADAC und seit 2006 Leiter des Fachbereichs „Verkehr und Umwelt“ beim ADAC Nordrhein. Der gebürtige Kölner lehrt zudem als Honorarprofessor an der Hochschule Fresenius (Köln) zum Thema „Mobilitätsmanagement“ und ist als Lehrbeauftragter an der Hochschule Bochum („Verkehrssysteme und -konzepte“) tätig. Seine Spezialgebiete sind Mobilität in Ballungsräumen, kommunale Verkehrsplanung und Digitalisierung im Mobilitätsbereich.
Fotos von Prof. Dr. Roman Suthold zur redaktionellen Verwendung (Quellenangabe) können Sie hier herunterladen: https://cloud.adac-nrh.de/s/F5NPdS5bENHABtp
Die Position des ADAC Nordrhein zum Thema „City-Maut/Anti-Stau-Gebühr für Köln?“ finden Sie hier: https://presse.adac.de/regionalclubs/nordrhein-westfalen/city-maut-anti-stau-gebuehr-koeln-statement-adac-nordrhein.html
Für O-Töne (Audio/Video) steht Herr Suthold auf Anfrage gerne zur Verfügung. Kommen Sie bei Bedarf jederzeit auf uns zu.
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