2021 deutlich mehr Alarme für „Christoph 32“
10 Prozent Einsatzsteigerung für Ingolstädter Hubschrauber der ADAC Luftrettung
Ingolstadt. Das 2. Pandemie-Jahr stellte die Crews des Ingolstädter Hubschraubers „Christoph 32“ der gemeinnützigen ADAC Luftrettung vor noch größere Herausforderungen: 1419 Mal hoben die Besatzungen von ihrem Standort am Klinikum Ingolstadt vergangenes Jahr zu Einsätzen ab, das entspricht einem deutlichen Plus von 10,2 Prozent (2020: 1288 Einsätze). Zurückzuführen ist der merkliche Anstieg darauf, dass der Freistaat besonders hart von den Infektionswellen getroffen wurde. Dadurch stiegen die Auslastungszahlen des Rettungsdienstes in Bayern generell stark an und auch die ADAC Luftrettung wurde dementsprechend häufiger gerufen. Doch nicht nur das Einsatzplus, sondern auch die hohen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen waren eine große Herausforderung für die Crews. 1189 Alarme (83,8 Prozent) waren so genannte „Primäreinsätze“: In diesen Fällen hatte „Christoph 32“ die reine Funktion des Notarztzubringers oder die Crew übernahm neben der Behandlung zusätzlich den Transport in die Klinik. 111 Einsätze (7,8 Prozent) waren Sekundärtransporte, bei denen ein Patient von einem Krankenhaus niedriger Versorgungsstufe in ein Spezialklinikum mit erweiterten Therapiemöglichkeiten gebracht wurde. 119 Flüge waren sonstige Einsätze oder es war kein Eingreifen nötig.
Ursache Nummer eins waren mit 44 Prozent Verletzungen nach Unfällen, 15 Prozent davon nach Verkehrsunfällen. Dahinter folgen mit 21 Prozent Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mit 16 Prozent neurologische Notfälle, wie beispielsweise Schlaganfälle.
Jubiläum: 30 Jahre „Christoph 32“
Mitte Juli konnten die Ingolstädter Luftretter ein rundes Jubiläum feiern, denn am 10. Juli 1991 hob „Christoph 32“ zu seinem ersten Einsatz ab. Weit über 37 000 Mal leisteten die Besatzungen in den drei Jahrzehnten schnelle Hilfe aus der Luft und optimierten so die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung im nordwestlichen Oberbayern. Zuvor startete eine SAR-Maschine vom Bundeswehrstützpunkt Manching aus. Weil „SAR Ingo 51“, so der Funkrufname, jedoch zuerst den Notarzt am Klinikum abholen musste, verstrich wertvolle Zeit. Durch den Wegfall der Zwischenlandung war „Christoph 32“ durchschnittlich acht Minuten schneller beim Patienten als die SAR zuvor. Weitere Meilensteine in der 30-jährigen Stationsgeschichte waren unter anderem die Eröffnung des Hangargebäudes am 1. Juli 1995, der Erweiterungsbau mit Fertigstellung 2014 sowie im Juli 2015 die Indienststellung eines neuen Hubschraubers vom Typ H135, der die alte BK 117 nach 24 Jahren ablöste. Die großen Vorteile des modernen Airbus Helicopters: deutlich geringere Geräuschemissionen, Fluggeschwindigkeiten bis zu 230 km/h sowie ein enormer Zugewinn an Sicherheit für die Besatzungen und Patienten.
Verkehrsministerin zu Besuch in Ingolstadt
Anlässlich des Jubiläums besuchte die Bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer die Station. Während der Visite informierte sich Schreyer über die Weiterentwicklung der Luftrettung durch den Einsatz von Multikoptern. Mit den Passagier-Drohnen können Notärzte nicht nur schneller am Einsatzort sein, sondern auch deutlich mehr Patienten in einem größeren Versorgungsgebiet erreichen, so erste Erkenntnisse aus einer Machbarkeitsstudie. Die Arbeit des Mediziners werde so effektiver und der Multikopter zu einem adäquaten Mittel im Kampf gegen den vielerorts herrschenden Notarztmangel. Positiver Nebeneffekt: Auch der Rettungshubschrauber könne noch effektiver eingesetzt werden, denn er fungiert heute in rund 60 Prozent der Fälle als reiner Notarztzubringer. Er könnte so sein Potenzial als Transportmittel in weiter entfernte (Spezial-)Kliniken ausschöpfen. Auch dies verbessert die Notfallversorgung der Menschen.
Bundesweite Zahlen auf Vor-Corona-Niveau
Bundesweit mussten die ADAC Rettungshubschrauber 2021 zu insgesamt 52.234 Notfällen ausrücken. Das sind rund 500 Einsätze mehr im Vergleich zum Vorjahr (plus ein Prozent) und entspricht durchschnittlich 143 Alarmierungen pro Tag. Damit hat sich das Einsatzgeschehen der fliegenden Gelben Engel auch trotz der anhaltenden Pandemie im Deutschlandvergleich auf dem hohen Vor-Corona-Niveau eingependelt.
Einsatzgrund Nummer eins waren bei den oft lebensrettenden Einsätzen mit 32 Prozent Verletzungen nach Unfällen. Dazu gehören Freizeit-, Sport-, Schul- und Verkehrsunfälle. Dahinter folgen mit 30 Prozent Notfälle des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen. In 14 Prozent der Fälle diagnostizierten die Lebensretter aus der Luft neurologische Notfälle, wie zum Beispiel einen Schlaganfall. Bei acht Prozent war ein Notfall des Atmungssystems wie akute Atemnot oder Asthma die Ursache. Bei fast jedem zehnten Patienten handelte es sich um Kinder oder Jugendliche.
Die meisten Einsatzorte lagen in Bayern mit 12.179 (Vorjahr 11.106), hier befinden sich auch die meisten Stationen. Dahinter folgen Rheinland-Pfalz mit 9129 (9328), Nordrhein-Westfalen mit 5509 (5542) und Niedersachsen mit 5313 (5169). Unter den 37 Stationen liegt in der Einsatzstatistik weiterhin Berlin vorne. „Christoph 31“ flog in und um die Hauptstadt zu 2195 Notfällen, dahinter folgen im bundesweiten Städteranking die Stationen Koblenz (2111) und Wittlich (2036) in Rheinland-Pfalz, vor Ochsenfurt (1891) und Straubing (1775) in Bayern. Die höchsten Einsatzsteigerungen verzeichneten die acht bayerischen Stationen (insgesamt plus 10 Prozent) und mit „Christoph 61“ (plus acht Prozent) und „Christoph 63“ (plus zehn Prozent) die beiden ADAC Rettungshubschrauber in Sachsen. Auch der östliche Freistaat war neben Bayern besonders von der Pandemie betroffen.
Hier sind die bayerischen Stationen der ADAC Luftrettung, aufgelistet nach Einsatzzahlen:
1. Christoph 18, Ochsenfurt (1891)
2. Christoph 15, Straubing (1775)
3. Christoph 65, Dinkelsbühl (1529)
4. Christoph 40, Augsburg (1455)
5. Christoph 20, Bayreuth (1449)
6. Christoph 1, München (1439)
7. Christoph 32, Ingolstadt (1419)
8. Christoph Murnau (1138)
Die Station „Christophorus Europa 3“ im oberösterreichischen Suben betreiben die fliegenden Gelben Engel im halbjährlichen Wechsel zusammen mit dem ÖAMTC Flugrettungsverein Wien. Im Winter-Halbjahr der ADAC Luftrettung starteten die deutsch-österreichischen Crews zu 561 (2020: 500) Einsätzen im Großraum Passau/ Bayerischer Wald und dem angrenzenden Innviertel.
2021 im Zeichen von Corona und der Hochwasser-Katastrophe
„Dass die notfallmedizinische Versorgung aus der Luft in Deutschland trotz nunmehr vier Coronawellen über zwei Jahre bis heute uneingeschränkt und unfallfrei sichergestellt werden konnte, sei vor dem Hintergrund der zusätzlichen Belastungen der Crews durch Spezialeinsätze wie der Verlegung von Covid-19-Patienten oder mit Rettungswinde in den Hochwassergebieten eine herausragende Leistung und nicht hoch genug einzuschätzen“, erklärte Frédéric Bruder, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung gGmbH bei der Vorstellung der Jahresbilanz.
Die Zahl der Corona-Einsätze lag mit 823 leicht über dem Niveau des Vorjahres (rund 800). Darunter waren 165 Verlegungstransporte von schwer an Covid-19 Erkrankten. Die meisten davon übernahmen der Intensivtransporthubschrauber „Christoph Rheinland“ aus Köln und „Christoph 112“. Der erste bundesweit alarmierbare Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber ist im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen stationiert. In den Überschwemmungsgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte die ADAC Luftrettung im Juli und August mehr als 200 Rettungseinsätze absolviert, darunter 111 Windenrettungen. Der hierfür extra zur Verfügung gestellte und ins Ahrtal verlegte ADAC Rettungshubschrauber „Christoph 23 Bravo“ flog bereits in den ersten Stunden 36 Spezialeinsätze, um Menschen von Dächern oder aus von Wasser eingeschlossenen Häusern und Plätzen zu retten. So viele Windeneinsätze hintereinander ist seit Bestehen der ADAC Luftrettung noch kein ADAC Rettungshubschrauber an einem Tag geflogen. „Die ADAC Luftrettung hat hier solidarisch, unbürokratisch und schnell gehandelt und war auf dem Höhepunkt der Flutkatastrophe Dank ihrer Größe und Leistungsfähigkeit in der Lage, diese lebensrettende Hilfe über Nacht zu organisieren“, sagte Geschäftsführer Bruder.
Um dem steigenden Bedarf an Transporten von Intensivpatienten gerecht zu werden, stellt die ADAC Luftrettung der Station von „Christoph Hansa“ in Hamburg ab sofort einen größeren und leistungsstärkeren Helikopter des Typs H145 zur Verfügung. Die „fliegende Intensivstation“ von Airbus Helicopters wird im Sommer zusätzlich mit einer Rettungswinde ausgerüstet. Die Gesamtzahl der Windeneinsätze hat bundesweit bereits das fünfte Jahr in Folge deutlich zugenommen. Die bestehenden Windenstationen in München, Murnau, Straubing (alle Bayern) und Sande (Niedersachsen) verzeichneten 2021 mit 365 ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr (342).
Flüge nachts und in der Dämmerung
Flüge in der Dämmerung und Dunkelheit wurden insgesamt 2658 absolviert. Darunter sind auch hochanspruchsvolle Notfalleinsätze in der Nacht mit Landung an unbeleuchteten Landeplätzen. Möglich sind sie unter anderem durch spezielle Nachtsichtbrillen als Teil eines hochmodernen „Night-Vision-Imaging-Systems“, kurz NVIS genannt.
Solche Einsätze fliegen die Crews der Stationen in Senftenberg in Brandenburg, Greven in Westfalen, Sanderbusch in Niedersachsen, Mainz in Rheinland-Pfalz sowie – neu seit Dezember 2021 – auch Ulm in Baden-Württemberg. Als sechste Nightvision-Station fliegt solche Spezialeinsätze ab Ende Februar auch „Christoph Rheinland“ – im Rahmen einer Erweiterung der Einsatzzeiten im Winter bis 20.15 Uhr und im Sommer bis 21.45 Uhr. Die neu modernisierte Station des Intensivtransporthubschraubers am Flughafen Köln/Bonn ist seit kurzem auch Standort des ersten Forschungsprojektes zum Einsatz von umweltfreundlichem Biokerosin in der Luftrettung.
Multikopter als Notarztzubringer
Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei der Fortführung der Machbarkeitsstudie zum Einsatz von Multikoptern im Rettungsdienst eine große Rolle. Außerdem beschäftigt sich die ADAC Luftrettung weiter mit neuen Technologien und der Frage, wie der Luftraum für Rettungshubschrauber bei immer mehr Drohnen sicherer gestaltet werden kann. „Mit solchen Forschungs- und Wissenschaftsprojekten unterstreichen wir unseren Anspruch und satzungsgemäßen Auftrag, den Rettungsdienst aus der Luft mit zukunftsweisenden Innovationen weiterzuentwickeln und zum Wohle des Patienten noch besser und sicherer zu gestalten“, betonte Geschäftsführer Bruder.
Bei ihrer Arbeit können die Crews der ADAC Luftrettung auf die modernsten Rettungshubschrauber der Typen H135 und H145 von Airbus Helicopters zurückgreifen. Darunter befindet sich mit „Christoph Westfalen“ in Greven auch die erste H145 mit Fünfblattrotor. Im Rahmen der Flottenerweiterung werden sukzessive alle bestehenden Helikopter des Typs H145 von vier auf fünf Rotorblätter umgebaut: für höhere Reichweite, deutlich mehr Zuladung und noch besserer Patientenversorgung an Bord.
Mit der bestehenden Flotte wurden 2021 rund 3,3 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das sind rund 100.000 Kilometer mehr als ein Jahr zuvor. Die durchschnittliche Flugzeit bei einem Einsatz beträgt rund 30 Minuten. Bundesweit arbeiten für die ADAC Luftrettung gGmbH und deren Tochterunternehmen fast 1300 Menschen – darunter rund 170 Piloten, etwa 600 Notärzte, 250 Notfallsanitäter (TC HEMS) und 130 Techniker. In der Regel besteht das Team einer Station aus drei Piloten, fünf Notfallsanitätern und 15 Notärzten.
Über die ADAC Luftrettung gGmbH
Mit mehr als 50 Rettungshubschraubern und 37 Stationen ist die gemeinnützige ADAC Luftrettung eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas mit bis heute mehr als 1,1 Millionen Einsätzen. Die ADAC Rettungshubschrauber gehören zum deutschen Rettungsdienstsystem, werden immer über die Notrufnummer 112 bei der Leitstelle angefordert und sind im Notfall für jeden Verunglückten oder Erkrankten zur Stelle. „Gegen die Zeit und für das Leben“ lautet der Leitsatz der ADAC Luftrettung gGmbH. Denn gerade bei schweren Verletzungen oder Erkrankungen gilt: Je schneller der Patient in eine geeignete Klinik transportiert oder vor Ort vom Notarzt versorgt wird, desto besser sind seine Überlebenschancen bzw. seine Rekonvaleszenz. Die Crews der ADAC Luftrettung werden trainiert von der ADAC HEMS Academy GmbH. Die Wartung und technische Bereitstellung erfolgt über die ADAC Heliservice GmbH. Die ADAC Luftrettung ist ein Tochterunternehmen der ADAC Stiftung.