2021 deutlich mehr Alarme für „Christoph 15“
Knapp 13 Prozent Einsatzsteigerung für Straubinger Hubschrauber der ADAC Luftrettung
Straubing. Das 2. Pandemie-Jahr stellte die Crews des Straubinger Hubschraubers „Christoph 15“ der gemeinnützigen ADAC Luftrettung vor noch größere Herausforderungen: 1775 Mal hoben die Besatzungen von ihrem Standort auf dem Dach des Klinikums St. Elisabeth zu Einsätzen ab, das entspricht einem deutlichen Plus von 12,7 Prozent (2020: 1575 Einsätze). Zurückzuführen ist der merkliche Anstieg darauf, dass der Freistaat besonders hart von den Infektionswellen getroffen wurde. Dadurch stiegen generell die Auslastungszahlen des Rettungsdienstes in Bayern stark an und auch die ADAC Luftrettung wurde dementsprechend häufiger gerufen. Doch nicht nur das Einsatzplus, sondern auch die hohen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen waren eine große Herausforderung für die Crews. 1503 Alarme (84,7 Prozent) waren so genannte „Primäreinsätze“: In diesen Fällen hatte „Christoph 15“ die reine Funktion des Notarztzubringers oder die Crew übernahm neben der Behandlung zusätzlich den Transport in die Klinik. 118 Einsätze (6,6 Prozent) waren Sekundärtransporte, bei denen ein Patient von einem Krankenhaus niedriger Versorgungsstufe in ein Spezialklinikum mit erweiterten Therapiemöglichkeiten gebracht wurde. 154 Flüge waren sonstige Einsätze oder es war kein Eingreifen nötig.
Ursache Nummer eins waren mit 39 Prozent Verletzungen nach Unfällen, 10 Prozent davon nach Verkehrsunfällen. Dahinter folgen mit 26 Prozent Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mit 14 Prozent neurologische Notfälle, wie beispielsweise Schlaganfälle.
Deutlich mehr Windeneinsätze
Als eine von bundesweit vier Maschinen der ADAC Luftrettung ist „Christoph 15“ mit einer Winde zur Rettung verletzter oder erkrankter Patienten in unwegsamem Gelände des Bayerischen Walds ausgerüstet. 2021 führten die Straubinger Besatzungen das höchst anspruchsvolle Flugmanöver 64 Mal durch. Zusammen mit den drei weiteren Windenstationen in München, Murnau und Sande (Niedersachsen) flogen die ADAC Luftretter 365 Windeneinsätze, im Vorjahreszeitraum waren es 342. Damit stieg die Zahl dieser Spezialeinsätze um 7 Prozent und nahm das fünfte Jahr in Folge zu.
2022 Jubiläum: 45 Jahre Luftrettung in Straubing
In diesem Jahr feiert die Station ihr 45-jähriges Bestehen in der Gäubodenmetropole. Am 19. November 1977 hob „Christoph 15“, damals noch unter der Flagge des Bundesgrenzschutzes, das erste Mal ab. Als sich der Bund in den 90er Jahren mehr und mehr aus Kostengründen aus der Luftrettung zurückzog, wurde der Straubinger Stützpunkt neu ausgeschrieben. Die Wahl fiel auf die gemeinnützige ADAC Luftrettung, die am 1. Dezember 1995 die Station übernahm. Weitere Meilensteine in der Geschichte waren die Inbetriebnahme des neuen Hubschraubermodells „EC 135“ am 10. August 1998, das auch heute noch im Einsatz ist. Im Juli 2014 wurde das neue Luftrettungszentrum auf dem Dach des Klinikums St. Elisabeth eröffnet. Seitdem starten die Hubschrauberbesatzungen aus 25 Metern Höhe zu ihren Einsätzen. Der Neubau mit einer Gesamtfläche von rund 1200 Quadratmetern war notwendig geworden, weil der Bodenlandeplatz geltenden Sicherheitsbestimmungen nicht mehr gerecht wurde. 2018 schließlich wurde „Christoph 15“ mit einer Winde zur Rettung Erkrankter oder Verletzter in unwegsamem Gelände des Bayerischen Waldes ausgerüstet. Es war zunächst ein einjähriges Pilotprojekt. Im Probebetrieb führten die Besatzungen bereits 32 erfolgreiche Windenrettungen durch und so wurde die Winde zur dauerhaften Standardausrüstung.
Bundesweite Zahlen auf Vor-Corona-Niveau
Deutschlandweit mussten die ADAC Rettungshubschrauber 2021 zu insgesamt 52.234 Notfällen ausrücken. Das sind rund 500 Einsätze mehr im Vergleich zum Vorjahr (plus ein Prozent) und entspricht durchschnittlich 143 Alarmierungen pro Tag. Damit hat sich das Einsatzgeschehen der fliegenden Gelben Engel im Bundesvergleich trotz der anhaltenden Pandemie auf dem hohen Vor-Corona-Niveau eingependelt.
Einsatzgrund Nummer eins waren bei den oft lebensrettenden Einsätzen mit 32 Prozent Verletzungen nach Unfällen. Dazu gehören Freizeit-, Sport-, Schul- und Verkehrsunfälle. Dahinter folgen mit 30 Prozent Notfälle des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen. In 14 Prozent der Fälle diagnostizierten die Lebensretter aus der Luft neurologische Notfälle, wie zum Beispiel einen Schlaganfall. Bei acht Prozent war ein Notfall des Atmungssystems wie akute Atemnot oder Asthma die Ursache. Bei fast jedem zehnten Patienten handelte es sich um Kinder oder Jugendliche.
Die meisten Einsätze in Bayern
Die meisten Einsatzorte lagen in Bayern mit 12.179 (Vorjahr 11.106), hier befinden sich auch die meisten Stationen. Dahinter folgen Rheinland-Pfalz mit 9129 (9328), Nordrhein-Westfalen mit 5509 (5542) und Niedersachsen mit 5313 (5169). Unter den 37 Stationen liegt in der Einsatzstatistik weiterhin Berlin vorne. „Christoph 31“ flog in und um die Hauptstadt zu 2195 Notfällen, dahinter folgen im bundesweiten Städteranking die Stationen Koblenz (2111) und Wittlich (2036) in Rheinland-Pfalz, vor Ochsenfurt (1891) und Straubing (1775) in Bayern. Die höchsten Einsatzsteigerungen verzeichneten die acht bayerischen Stationen (insgesamt plus 10 Prozent) und mit „Christoph 61“ (plus acht Prozent) und „Christoph 63“ (plus zehn Prozent) die beiden ADAC Rettungshubschrauber in Sachsen. Auch der östliche Freistaat war neben Bayern besonders von der Pandemie betroffen.
Hier sind die bayerischen Stationen der ADAC Luftrettung, aufgelistet nach Einsatzzahlen:
1. Christoph 18, Ochsenfurt (1891)
2. Christoph 15, Straubing (1775)
3. Christoph 65, Dinkelsbühl (1529)
4. Christoph 40, Augsburg (1455)
5. Christoph 20, Bayreuth (1449)
6. Christoph 1, München (1439)
7. Christoph 32, Ingolstadt (1419)
8. Christoph Murnau (1138)
Die Station „Christophorus Europa 3“ im oberösterreichischen Suben betreiben die fliegenden Gelben Engel im halbjährlichen Wechsel zusammen mit dem ÖAMTC Flugrettungsverein Wien. Im Winter-Halbjahr der ADAC Luftrettung starteten die deutsch-österreichischen Crews zu 561 (2020: 500) Einsätzen im Großraum Passau/ Bayerischer Wald und dem angrenzenden Innviertel.
2021 im Zeichen von Corona und Hochwasserkatastrophe
„Dass die notfallmedizinische Versorgung aus der Luft in Deutschland trotz nunmehr vier Coronawellen über zwei Jahre bis heute uneingeschränkt und unfallfrei sichergestellt werden konnte, sei vor dem Hintergrund der zusätzlichen Belastungen der Crews durch Spezialeinsätze wie der Verlegung von Covid-19-Patienten oder mit Rettungswinde in den Hochwassergebieten eine herausragende Leistung und nicht hoch genug einzuschätzen“, erklärte Frédéric Bruder, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung gGmbH bei der Vorstellung der Jahresbilanz.
Die Zahl der Corona-Einsätze lag mit 823 leicht über dem Niveau des Vorjahres (rund 800). Darunter waren 165 Verlegungstransporte von schwer an Covid-19 Erkrankten. Die meisten davon übernahmen der Intensivtransporthubschrauber „Christoph Rheinland“ aus Köln und „Christoph 112“. Der erste bundesweit alarmierbare Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber ist im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen stationiert. In den Überschwemmungsgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte die ADAC Luftrettung im Juli und August mehr als 200 Rettungseinsätze absolviert, darunter 111 Windenrettungen. Der hierfür extra zur Verfügung gestellte und ins Ahrtal verlegte ADAC Rettungshubschrauber „Christoph 23 Bravo“ flog bereits in den ersten Stunden 36 Spezialeinsätze, um Menschen von Dächern oder aus von Wasser eingeschlossenen Häusern und Plätzen zu retten. So viele Windeneinsätze hintereinander ist seit Bestehen der ADAC Luftrettung noch kein ADAC Rettungshubschrauber an einem Tag geflogen. „Die ADAC Luftrettung hat hier solidarisch, unbürokratisch und schnell gehandelt und war auf dem Höhepunkt der Flutkatastrophe Dank ihrer Größe und Leistungsfähigkeit in der Lage, diese lebensrettende Hilfe über Nacht zu organisieren“, sagte Geschäftsführer Bruder.
Um dem steigenden Bedarf an Transporten von Intensivpatienten gerecht zu werden, stellt die ADAC Luftrettung der Station von „Christoph Hansa“ in Hamburg ab sofort einen größeren und leistungsstärkeren Helikopter des Typs H145 zur Verfügung. Die „fliegende Intensivstation“ von Airbus Helicopters wird im Sommer zusätzlich mit einer Rettungswinde ausgerüstet.
Flüge nachts und in der Dämmerung
Flüge in der Dämmerung und Dunkelheit wurden insgesamt 2658 absolviert. Darunter sind auch hochanspruchsvolle Notfalleinsätze in der Nacht mit Landung an unbeleuchteten Landeplätzen. Möglich sind sie unter anderem durch spezielle Nachtsichtbrillen als Teil eines hochmodernen „Night-Vision-Imaging-Systems“, kurz NVIS genannt. Solche Einsätze fliegen die Crews der Stationen in Senftenberg in Brandenburg, Greven in Westfalen, Sanderbusch in Niedersachsen, Mainz in Rheinland-Pfalz sowie – neu seit Dezember 2021 – auch Ulm in Baden-Württemberg. Als sechste Nightvision-Station fliegt solche Spezialeinsätze ab Ende Februar auch „Christoph Rheinland“ – im Rahmen einer Erweiterung der Einsatzzeiten im Winter bis 20.15 Uhr und im Sommer bis 21.45 Uhr. Die neu modernisierte Station des Intensivtransporthubschraubers am Flughafen Köln/Bonn ist seit kurzem auch Standort des ersten Forschungsprojektes zum Einsatz von umweltfreundlichem Biokerosin in der Luftrettung.
Multikopter als Notarztzubringer
Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei der Fortführung der Machbarkeitsstudie zum Einsatz von Multikoptern im Rettungsdienst eine große Rolle. Außerdem beschäftigt sich die ADAC Luftrettung weiter mit neuen Technologien und der Frage, wie der Luftraum für Rettungshubschrauber bei immer mehr Drohnen sicherer gestaltet werden kann. „Mit solchen Forschungs- und Wissenschaftsprojekten unterstreichen wir unseren Anspruch und satzungsgemäßen Auftrag, den Rettungsdienst aus der Luft mit zukunftsweisenden Innovationen weiterzuentwickeln und zum Wohle des Patienten noch besser und sicherer zu gestalten“, betonte Geschäftsführer Bruder.
Bei ihrer Arbeit können die Crews der ADAC Luftrettung auf die modernsten Rettungshubschrauber der Typen H135 und H145 von Airbus Helicopters zurückgreifen. Darunter befindet sich mit „Christoph Westfalen“ in Greven auch die erste H145 mit Fünfblattrotor. Im Rahmen der Flottenerweiterung werden sukzessive alle bestehenden Helikopter des Typs H145 von vier auf fünf Rotorblätter umgebaut: für höhere Reichweite, deutlich mehr Zuladung und noch besserer Patientenversorgung an Bord.
Mit der bestehenden Flotte wurden 2021 rund 3,3 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das sind rund 100.000 Kilometer mehr als ein Jahr zuvor. Die durchschnittliche Flugzeit bei einem Einsatz beträgt rund 30 Minuten. Bundesweit arbeiten für die ADAC Luftrettung gGmbH und deren Tochterunternehmen fast 1300 Menschen – darunter rund 170 Piloten, etwa 600 Notärzte, 250 Notfallsanitäter (TC HEMS) und 130 Techniker. In der Regel besteht das Team einer Station aus drei Piloten, fünf Notfallsanitätern und 15 Notärzten.
Über die ADAC Luftrettung gGmbH
Mit mehr als 50 Rettungshubschraubern und 37 Stationen ist die gemeinnützige ADAC Luftrettung eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas mit bis heute mehr als 1,1 Millionen Einsätzen. Die ADAC Rettungshubschrauber gehören zum deutschen Rettungsdienstsystem, werden immer über die Notrufnummer 112 bei der Leitstelle angefordert und sind im Notfall für jeden Verunglückten oder Erkrankten zur Stelle. „Gegen die Zeit und für das Leben“ lautet der Leitsatz der ADAC Luftrettung gGmbH. Denn gerade bei schweren Verletzungen oder Erkrankungen gilt: Je schneller der Patient in eine geeignete Klinik transportiert oder vor Ort vom Notarzt versorgt wird, desto besser sind seine Überlebenschancen bzw. seine Rekonvaleszenz. Die Crews der ADAC Luftrettung werden trainiert von der ADAC HEMS Academy GmbH. Die Wartung und technische Bereitstellung erfolgt über die ADAC Heliservice GmbH. Die ADAC Luftrettung ist ein Tochterunternehmen der ADAC Stiftung.