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Sachsen | 04.04.2023

„Sicher drüber“: Gegen den tödlichen Leichtsinn am Bahnübergang

Unkenntnis oder falsches Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer sind die häufigste Unfallursache an Kreuzungen von Schiene und Straße.

 Chemnitz / Wittgensdorf. „Das schaffe ich noch“, ist häufig der letzte Gedanke, der den Menschen durch den Kopf geht, die bei rotem Licht und geschlossenen Schranken versuchen einen Bahnübergang zu überqueren. Am Montag, dem 3. April 2023 warnten Bundespolizei, Deutsche Bahn und der ADAC gemeinsam am Bahnübergang in Chemnitz-Wittgensdorf vor riskantem Leichtsinn am Bahnübergang. Dabei wurden Schülerinnen und Schüler der örtlichen Schulen mit Beispielen und Exponaten an die Gefahren herangeführt, die das Queren von Bahnübergängen mit sich bringen. Die Veranstaltung ist Bestandteil der bundesweiten Präventionskampagne „Geblickt? Sicher drüber“, die seit 2002 gegen Unkenntnis, Unaufmerksamkeit, Leichtsinn und Irrglauben am Bahnübergang aufklärt.

Polizeirat Philipp Reiher: „Die Bundespolizeiinspektion Chemnitz hat die Veranstaltung „Sicher drüber“ in Chemnitz-Wittgensdorf gemeinsam mit unseren Partnern der Polizei des Freistaats Sachsen, der Deutschen Bahn und des ADAC ins Leben gerufen, um noch einmal eine klare Botschaft zu senden: Gleisanlagen sind keine Spielplätze! Die Gefahren werden leider zu oft unterschätzt und Unfälle enden im schlimmsten Fall tödlich.“

97 Prozent aller Bahnübergangsunfälle sind auf ein Fehlverhalten der Straßenverkehrsteilnehmer zurückzuführen. Doch das Leid trifft nicht nur Fahrzeugführer oder Fußgänger, sondern auch Lokführer, Zugbegleiter, Fahrgäste sowie Rettungskräfte. Das regelmäßige Überschreiten der Gleise bei geschlossenen Bahnschranken am Übergang Wittgensdorf hat die Bundespolizei, die Deutsche Bahn und den ADAC Sachsen veranlasst, gerade hier präventiv wirksam zu werden. Im Juni 2022 war hier ein 17-jähriger Schüler beim Überqueren der Gleise in der Nähe des Bahnhofs Wittgensdorf ums Leben gekommen.

Bastian Peter, Präventionsbeauftragter der Deutschen Bahn für die Region Südost: „Niemand verlässt morgens das Haus mit dem Ziel, in einen Unfall verwickelt zu werden. Wer aufmerksam unterwegs ist, kann sich und andere schützen. Bei Präventionsaktionen wie heute sensibilisieren wir insbesondere Kinder und Jugendliche dafür, sich nicht zu überschätzen und sich an Bahnanlagen nicht durch Handy oder Kopfhörer ablenken zu lassen. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir als DB Unfälle verhindern, denn jeder Unfall ist einer zu viel.“

Enorm langer Bremsweg
Oft werden die Geschwindigkeit des Zuges und der Bremsweg unterschätzt. Selbst, wenn ein Lokführer eine sofortige Vollbremsung einleitet, benötigt ein 100 km/h schneller Zug rund 1000 Meter bis zum Stillstand, so die Faustregel.

„Durchschnittlich jeder vierte Unfall an einem Bahnübergang endet tödlich“, stellt Helmut Büschke, Vorstandsmitglied für Verkehr und Technik des ADAC Sachsen, fest. Hauptursache seien in den meisten Fällen Unkenntnis der Verhaltensregeln, Unaufmerksamkeit und Leichtsinn, so der Experte. „Auch wenn die Zahl der Unfälle seit Jahren rückläufig ist, sind geeignete technische Maßnahmen und eine kontinuierliche Aufklärungsarbeit nach wie vor unverzichtbar.“

Auf Hinweistafeln achten
Sachsenweit gibt es etwa 1.200 Bahnübergänge. Alle, egal ob mit oder ohne Schranken, werden mittels Verkehrszeichen angekündigt: Weiß-rote Baken weisen in 240 Metern, 160 Metern und 80 Metern Entfernung auf den Übergang hin. Unmittelbar vor dem Kreuzungspunkt signalisiert das Andreaskreuz, dass der Schienenverkehr Vorrang hat. Zudem warnen Züge mit Pfeifsignalen die Verkehrsteilnehmer an technisch ungesicherten Stellen. Warum Verkehrsteilnehmer trotz rotem Blinklicht oder Warntafeln achtlos Bahnübergänge passieren, weiß ADAC Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino: „Ursache ist in vielen Fällen Zeitdruck und der Irrglaube, die Situation unter Kontrolle zu haben“, so die Expertin. Zudem sieht sie die Gefahr einer Routinehandlung: „Beim ersten Fehlverhalten liegt die Hemmschwelle vielleicht noch hoch, wenn jedoch zum wiederholten Male nichts passiert, sinkt das Risikobewusstsein“.

Neben der Sensibilisierung der Verkehrsteilnehmer sollten die Ordnungswidrigkeiten und strafrechtlichen Konsequenzen nicht unterschätzt werden. „Wenn trotz geschlossener (Halb-)Schranke der Bahnübergang mittels motorisiertem Fahrzeug überquert wird, drohen dem Kraftfahrer ein Bußgeld bis zu 700 Euro, zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot. Fußgänger und Fahrradfahrer können bis zu 350€ für ihre Ordnungswidrigkeit bezahlen. Im schlimmsten Falle eines sogenannten gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, drohen sogar Freiheitsstrafen!“ erinnert die Präventionsbeauftragte der Bundespolizeiinspektion Chemnitz POKin Constanze Strohm.

Um Bahnübergänge sicher zu passieren, geben ADAC, Bundespolizei und Deutsche Bahn diese Tipps:

  • Geschlossene Schranken bedeuten Stopp! Sie schließen nicht ohne Grund! Niemals geschlossene Schranken umfahren oder darüber klettern!
  • An beschrankten Übergängen bei gelbem Licht und rotem Blinklicht stehen bleiben, nicht erst, wenn sich die Schranken senken.
  • Erst queren, wenn das Rotlicht erloschen ist und die Schranken vollständig geöffnet sind.
  • Bremsbereit und mit angepasster Geschwindigkeit (max. 50 km/h) auf den Bahnübergang zufahren.
  • An Bahnübergängen niemals überholen!
  • Die Bahnstrecke nach beiden Seiten überblicken.
  • Auf akustische Pfeifsignale achten.
  • Sofort anhalten, wenn sich ein Zug nähert!
  • Keine Panik bei einer Fahrzeugpanne auf den Gleisen! Das Auto sofort verlassen, sich in Sicherheit bringen und die 112 anrufen.

Hintergrund:
In der Präventionskampagne „Geblickt? Sicher drüber“ haben sich Deutsche Bahn, ADAC, Bundespolizei, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie die gesetzlichen Unfallversicherungen UVB und VBG zusammengeschlossen, um gemeinsam über das richtige Verhalten an Bahnübergängen zu informieren. Seit Kampagnenstart im Jahr 2002 konnte die Zahl der Bahnübergangsunfälle durch die umfassende Beseitigung von Bahnübergängen, die zunehmende technische Sicherung sowie Aufklärungsarbeit von bundesweit 294 auf 139 im Jahr 2021 gesenkt werden.


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