Die Seite benötigt aktiviertes Javascript! Wie Sie JavaScript in Ihrem Browser aktivieren

Nordrhein-Westfalen | 27.09.2022

Wildwechsel im Herbst: So lassen sich Unfälle vermeiden

Wildunfälle: Der ADAC Nordrhein rät gerade im Morgengrauen und der Abenddämmerung sowie bei Nacht und Nebel zu erhöhter Aufmerksamkeit und angepasster Geschwindigkeit.

Welche Kräfte bei einem Zusammenprall wirken, verdeutlicht der ADAC Crashtest aus dem Jahr 2020. Foto: ADAC/Uwe Rattay

Zum Herbstbeginn müssen Autofahrer auf Landstraßen entlang von Wiesen, hochstehenden Maisfeldern und durch Waldgebiete mit Wild an der Straße rechnen. Darauf weist der ADAC Nordrhein hin. Vermehrt passieren Wildunfälle im Morgengrauen und in der Abenddämmerung. Letztere Phase fällt nach der Zeitumstellung am 30. Oktober in die Zeit des Berufsverkehrs. Gerade in der Dämmerung und bei Nacht sollten Autofahrer besonders vorausschauend fahren und mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs sein. Schon Tempo 80 statt 100 verkürzt den Bremsweg um circa 24 Meter und kann so dazu beitragen, einen Aufprall mit einem Wildtier zu vermeiden.

Taucht Wild am Straßenrand auf, sollten Autofahrer noch langsamer fahren, bestenfalls Schrittgeschwindigkeit. Befindet sich ein Tier bereits auf der Fahrbahn, empfiehlt der ADAC, das Fernlicht auszuschalten und zu versuchen, das Wild durch Hupen zu vertreiben. Mit den Scheinwerfern aufblenden, bewirkt hingegen eher das Gegenteil: Das grelle Licht verwirrt die Tiere und nimmt ihnen jede Orientierungsmöglichkeit, so dass sie verunsichert häufig einfach nur verharren und nicht weiterlaufen. Quert ein Tier die Fahrbahn, folgt oft noch weiteres Wild, denn Reh & Co. sind selten Einzelgänger.

Wenn ein Zusammenstoß unvermeidlich ist, rät der ADAC Nordrhein: Das Lenkrad gut festhalten und mit aller Macht die Bremse und Kupplung treten. Auf keinen Fall sollten Autofahrer unkontrolliert ausweichen, denn eine Kollision mit einem Baum oder dem Gegenverkehr kann tödlich enden.

Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) gab es alleine in Nordrhein-Westfalen 2019/2020 fast 32.400 Wildunfälle. Am häufigsten waren Rehe betroffen (28.610).

Acht Fragen und Antworten zum Thema Wildwechsel

1. Warum kommt es gerade im Herbst vermehrt zu Wildunfällen?

Wenn die Uhren auf Winterzeit umgestellt werden, wird es morgens wieder früher hell und abends eine Stunde früher dunkler. Damit fällt die Dämmerungszeit, in der sich die heimischen Wildtiere auf Nahrungssuche begeben, wieder in die Hauptverkehrszeit. Reh, Wildschwein oder Hirsch orientieren sich allerdings am Tageslicht und kennen die Zeitumstellung nicht. Während die Wildtiere vor der Zeitumstellung die Fahrbahn möglicherweise noch gefahrenlos überqueren konnten, herrscht nach der Zeitumstellung plötzlich Berufsverkehr auf der Straße. Insbesondere die Morgenstunden werden so zur Falle für Tier und Mensch. Zwischen 6 Uhr und 8 Uhr morgens ist das Risiko für einen Zusammenstoß besonders hoch. Am Abend wird es eine Stunde früher dunkel. Die Dämmerungsphase beginnt dann bereits gegen 17 Uhr und fällt damit ebenfalls in die Rush-Hour.

2. Was sind häufige Gründe für Wildunfälle im Straßenverkehr?

Ein häufiger Grund für Wildunfälle liegt darin, dass Autofahrer die Gefahr unterschätzen, wenn sie ein Tier scheinbar ruhig am Straßenrand stehend erkennen und das Tier in Richtung Auto schaut. Hier wägen sich manche Autofahrer in Sicherheit und gehen davon aus, dass das Tier am Straßenrand warten wird. Durch Blendung, Orientierungslosigkeit oder Angst kommt es jedoch vor, dass Wildtiere plötzlich doch noch unmittelbar vor dem heranfahrenden Auto auf die Straße springen. Deshalb empfiehlt der ADAC Nordrhein, auch bei einem scheinbar ruhigen Tier am Straßenrand nur mit Schrittgeschwindigkeit vorbeizufahren. Weitere Ursachen sind überhöhte Geschwindigkeit, Ablenkung und auch fehlendes Wissen über das Verhalten von Wildtieren. Nachdem ein Tier die Straße überquert hat, müssen Autofahrer immer damit rechnen, dass weitere Tiere folgen.

Bei vielen Wildunfällen kann man Autofahrern keinen Vorwurf machen. Wenn ein Wildtier mit 30 bis 50 Stundenkilometern plötzlich aus der Deckung auf die Fahrbahn rennt, befindet sich das Tier auf der Straße, bevor man überhaupt reagieren kann. Trotz Aufmerksamkeit und reduzierter Geschwindigkeit ist ein Unfall dann kaum vermeidbar.

3. Wie sollen sich Autofahrer bei einem nicht mehr vermeidbaren Zusammenstoß mit einem Wildtier verhalten?

Wildunfälle lassen sich nicht immer verhindern. Um schwere Unfallfolgen zu vermeiden, ist es wichtig, im Moment des Aufpralls die Kontrolle über sein Fahrzeug zu behalten. Der ADAC Nordrhein rät: Nicht unkontrolliert ausweichen, Lenkrad gut festhalten und mit aller Macht die Bremse und Kupplung treten.

4. Wieso sollte man nicht versuchen, noch ausweichen?

Beim Zusammenstoß mit einem Wildtier wirken kurzzeitig extreme Kräfte auf die Menschen im Fahrzeug. Sie entsprechen dem zehnfachen ihres Körpergewichts. Der ADAC hat ein solchen Unfall in einem Crashtest nachgestellt (2020) und ein Auto bei Tempo 80 mit einem 180 Kilogramm schweren Wildschwein-Dummy kollidieren lassen. Die gute Nachricht ist aber: Wenn der Fahrer nicht versucht, noch unkontrolliert auszuweichen, sondern die Spur hält und voll auf die Bremse tritt, dann ist die Chance sehr groß, unverletzt zu bleiben. Auch für die weiteren Fahrzeuginsassen ist das Verletzungsrisiko geringer, als wenn man durch ein unkontrolliertes Ausweichmanöver gegen einen Baum kracht.

5. Was ist nach einem Unfall zu tun?

Nach einem Unfall sollte man zunächst die Warnblinkanlage einschalten, eine Warnweste anziehen und die Unfallstelle absichern. Generell gilt: Tote Tiere aufgrund von Infektionsgefahren niemals ohne Handschuhe anfassen, verletzte Tiere gar nicht berühren. Anschließend die Polizei benachrichtigen und den Standort mitteilen, damit diese den Jagdpächter kontaktieren kann. Für die Versicherung sollte man sich eine Wildunfallbescheinigung aushändigen lassen. Wer angefahrene Tiere mitnimmt, macht sich der Wilderei strafbar.

6. Zahlt die Versicherung bei einem Wildunfall?

Den Schaden am Fahrzeug deckt in der Regel die Teilkaskoversicherung ab. Das gilt – entsprechend den Bedingungen der Kfz-Versicherung – meistens für Zusammenstöße mit Haarwild. Dazu gehören Rehe, Hirsche, Wildschweine, Füchse oder Hasen. Bei Unfällen mit Vögeln oder anderen Tieren wie Kühe, Pferde, Hunde oder Katzen kommen hingegen nicht alle Versicherungen für den entstandenen Schaden auf. Hierfür benötigen Autofahrer eine Versicherung, die Kollisionen mit „Tieren aller Art“ abdeckt. Wenn der Autofahrer nicht nachweisen kann, dass der Fahrzeugschaden durch einen Wildunfall entstanden ist, kann der Schaden bei der Vollkaskoversicherung zur Regulierung angemeldet werden. Die Inanspruchnahme kann allerdings zu einer Rückstufung in der Schadenfreiheitsklasse führen.

7. Sollten die Fahrbahnen in Wildwechselgebieten besser vor möglichen Wildunfällen gesichert werden?

Entlang von Autobahnen sind die Fahrbahnen in Wildwechselgebieten durch Schutzzäune gesichert. Diese haben eine hohe Wirksamkeit, können aber nicht einfach auch auf Landstraßen und weiteren Straßen aufgestellt werden. Hier gibt es viele Einmündungen, Grundstückszufahrten oder Feldwege, die den Straßenverlauf unterbrechen. Schutzzäune könnten also allenfalls lückenhaft installiert werden. Durch diese Lücken können jedoch Wildtiere auf die Fahrbahn gelangen. Oftmals finden sie dann den Ausweg nicht mehr. Außerdem wäre die ökologische Zerschneidungswirkung beträchtlich.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat aufwendig untersuchen lassen, ob Reflektoren, zum Beispiel an Leitpfosten, wirksam sind. Im Ergebnis war keine Wirkung auf Tiere nachweisbar. Eine gewisse Wirkung kann ggf. auf Autofahrer bestehen, die durch die Reflektoren auf Wildwechselgebiete aufmerksam und dafür sensibilisiert werden, dass Wildtiere die Straße überqueren könnten. Bei Duftzäunen, akustischen Wildwarngeräten oder Ultraschall gibt es ebenfalls keine seriösen Belege für eine beständige Wirksamkeit.

Fazit: Man kann sich nicht aktiv gegen jeden Wildunfall schützen, aber die vermeidbaren Unfälle müssen reduziert werden. Das sind Situationen, in denen Autofahrer ein Tier rechtzeitig sehen. Hier gilt vor allem: Geschwindigkeit drastisch reduzieren! Grundsätzlich sollte man auch nachts selbst bei freier und bekannter Strecke langsamer fahren und jederzeit bremsbereit sein.

8. Welche Rolle können Assistenzsysteme im Fahrzeug beim Schutz vor Wildunfällen spielen?

Nach Meinung des ADAC Nordrhein sollte die Erkennung von Wildtieren bei der Entwicklung von Notbremsassistenten stärker mit betrachtet und integriert werden. Mit vorhandener Technik ließe sich ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten. Notbremsassistenten sind bislang meist aber nur auf die Erkennung von Fahrzeugen, Fußgängern und Radfahrern hin optimiert. Doch gerade die häufig verbauten Radarsensoren könnten bei Dunkelheit oder Nebel ihre besonderen Stärken auch bei der Erkennung von Tieren ausspielen.

Ein O-Ton-Paket (Audio) sowie Fotos und eine Grafik (Quellenangabe) zur redaktionellen Verwendung finden Sie hier: https://cloud.adac-nrh.de/s/cQzCydpEQt2MmEP
 


Bild herunterladen