Rotlichtverstöße in Köln: ADAC Erhebung zeigt Handlungsbedarf
In Köln registrierte der ADAC im vierstündigen Testzeitraum an vier Kreuzungen 449 Rotlichtverstöße von Fußgängern, Radfahrern, E-Scooter-Nutzern und Kfz-Fahrern.
Die wichtigsten Ergebnisse der ADAC Erhebung auf einen Blick:
- Hohe Anzahl an Rotlichtsündern in allen fünf untersuchten Großstädten
- 14 Prozent der E-Scooter-Fahrer ignorieren rote Ampeln
- Köln: Fußgänger an Testkreuzungen mit den meisten Rotlichtverstößen
- Auch bei Rad- und Autofahrern viele Rotlichtverstöße
- Bußgelder, Punkte und Fahrverbote reichen nicht aus
Das empfiehlt der ADAC Nordrhein:
- Einhalten von Verkehrsregeln und mehr gegenseitige Rücksichtnahme
- Überprüfung der Ampelschaltungen an Kreuzungen mit häufigen Rotlichtverstößen
- Installation von Ampelblitzern bei hohem Kfz-Aufkommen und vielen Verstößen
- Stärkere Ampelkontrollen durch die Polizei
Rotlichtverstöße zählen zu den häufigsten Verkehrsdelikten in Deutschland. Wie oft Verkehrsteilnehmer rote Ampeln missachten, zeigt eine aktuelle Erhebung des ADAC in Köln, Berlin, Hamburg, Leipzig und München. Das Ergebnis: E-Scooter-Fahrer ignorierten rote Ampeln anteilsmäßig am häufigsten, außer in Köln. Hier begingen Fußgänger im ADAC Test die meisten Rotlichtverstöße.
Im Oktober 2024 hatte der Mobilitätsclub an jeweils vier Kreuzungen pro Stadt das Verhalten von Fußgängern, Rad-, E-Scooter- und Kraftfahrzeugfahrern genauer analysiert. Der Erhebung fand an einem Werktag zwischen 7 und 11 Uhr statt. Untersucht wurden mit einem KI-gestützten Kamerasystem sowohl einfache Rotlichtverstöße bis maximal einer Sekunde als auch Verstöße, bei denen die Ampel schon länger als eine Sekunde auf Rot stand. Auch Frühstarter wurden berücksichtigt.
In Köln registrierte der ADAC im Testzeitraum bei 12.392 Verkehrsteilnehmern insgesamt 449 Rotlichtverstöße (3,6 Prozent). Von den 2884 Fußgängern liefen 240 über die rote Ampel (8,3 Prozent), fünf der 85 E-Scooter-Fahrer (5,9 Prozent), 78 der 1628 Radfahrer (4,8 Prozent) und 126 der 7795 Kraftfahrzeugnutzer (1,6 Prozent) verstießen gegen die Haltepflicht. Wären im vierstündigen Testzeitraum alle Rotlichtverstöße an den vier untersuchten Kreuzungen in Köln geahndet worden, hätten die betroffenen Verkehrsteilnehmer 24.910 Euro Bußgeld bezahlen müssen. Dazu hätte es 246 Punkte in Flensburg und 37 einmonatige Fahrverbote gegeben.
Über alle fünf Großstädte hinweg entdeckten die ADAC Tester bei insgesamt 66.158 registrierten Verkehrsteilnehmern 2833 Rotlichtverstöße (4,3 Prozent). E-Scooter-Nutzer fielen dabei am häufigsten negativ auf. Mehr als 14 Prozent missachteten das Ampelzeichen. Von den Fußgängern überquerten 8,5 Prozent die Ampel bei Rot, gefolgt von den Radfahrern mit 7,9 Prozent. Bei den Kraftfahrzeugführern ignorierten 1,6 Prozent die rote Ampel. Wären die Verstöße geahndet worden, hätte sich das Bußgeld auf rund 158.000 Euro summiert. Dazu hätte es 1573 Punkte im Flensburger Zentralregister gegeben und 164 einmonatige Fahrverbote.
„Die Zahl der Rotlichtverstöße ist viel zu hoch. Eine der einfachsten Verkehrsregeln, bei einer roten Ampel stehen zu bleiben, scheint zunehmend an Bedeutung zu verlieren“, erklärt Prof. Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC Nordrhein, und macht deutlich: „Ein Rotlichtverstoß ist kein Kavaliersdelikt. Die Folgen sind dabei für Fußgänger als schwächste Verkehrsteilnehmer ungleich schwerwiegender als für Kfz-Fahrer.“ Laut Unfallstatistik der Polizei verunglückten 2023 in Köln 320 Verkehrsteilnehmer aufgrund von Rotlichtverstößen, darunter 91 Radfahrer und 65 Fußgänger. Das sind fast 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Fünf Menschen wurden 2023 getötet (davon drei Fußgänger), 47 schwer verletzt.
In Köln hatte der ADAC am 29. Oktober 2024 zwischen 7 und 11 Uhr in Abstimmung mit der Stadt folgende Kreuzungen untersucht:
Ehrenfeldgürtel – Venloer Straße
- 1893 Fußgänger: 198 Rotlichtverstöße (10,5 Prozent)
- 1065 Radfahrer: 47 Verstöße (4,4 Prozent), davon 35 über einer Sekunde und 12 Frühstarts
- 53 E-Scooter-Fahrer: 4 Verstöße (7,5 Prozent), davon 4 über einer Sekunde
- 2243 Kfz-Nutzer: 12 Verstöße (0,5 Prozent), davon 2 über einer Sekunde und 2 Frühstarts
Einordnung: Die hohe Zahl an Rotlichtverstößen bei Fußgängern hängt aus Sicht des ADAC Nordrhein hier mit der direkt an der Kreuzung liegenden KVB-Haltestelle Venloer Str./Gürtel zusammen. Immer wieder missachten Fußgänger, die an der roten Ampel warten und die einfahrende Straßenbahn sehen, das Rotlicht und überqueren die Kreuzung, um die Bahn noch zu erreichen.
Habsburgerring – Aachener Straße
- 808 Fußgänger: 35 Rotlichtverstöße (4,3 Prozent)
- 206 Radfahrer: 7 Verstöße (3,4 Prozent), davon 6 über einer Sekunde und ein Frühstart
- 12 E-Scooter-Fahrer: 1 Verstoß (8,3 Prozent), davon ein Frühstart
- 1098 Kfz-Nutzer: 8 Verstöße (0,7 Prozent), davon 2 über einer Sekunde und ein Frühstart
Einordnung: An der Kreuzung Habsburgerring/Aachener Straße herrscht ein hohes Verkehrsaufkommen, auch viele Fußgänger und Radfahrer sind hier unterwegs. Die Rotlichtverstöße bei Fußgängern resultieren oft aus dem Versuch, die einfahrende Straßenbahn oder den Bus an der KVB-Haltestelle Rudolfplatz noch zu erreichen.
Steinstraße – Frankfurter Straße
- 10 Fußgänger: 1 Rotlichtverstoß (10 Prozent)
- 141 Radfahrer: 1 Verstoß (0,7 Prozent), davon einer über einer Sekunde
- 9 E-Scooter-Fahrer: 0 Verstöße
- 2343 Kfz-Nutzer: 37 Verstöße (1,6 Prozent), davon 13 über einer Sekunde
Einordnung: Die Kreuzung Steinstraße/Frankfurter Straße (B8) in Porz grenzt an ein Gewerbegebiet und liegt in unmittelbarer Nähe zur Autobahn-Anschlussstelle Köln-Gremberghoven. Die B8 (Frankfurter Straße) ist eine wesentliche Einfallstraße in Richtung Kölner Innenstadt und Ausweichroute zur parallel verlaufenden Flughafenautobahn A59. Im Kreuzungsbereich herrscht ein hohes Kfz-Verkehrsaufkommen, es bilden sich insbesondere auf der Steinstraße Rückstaus bei den Linksabbiegern, die in Richtung Köln auf die Frankfurter Straße fahren möchten. Hier kommen nur wenige Autos pro Grünphase über die Kreuzung. Manche Kfz-Fahrer missachten die Lichtzeichen und biegen trotz Rotsignal noch schnell links ab.
Blaubach – Neuköllner Straße
- 173 Fußgänger: 6 Rotlichtverstöße (3,5 Prozent)
- 216 Radfahrer: 23 Verstöße (10,6 Prozent), davon 20 über einer Sekunde und 3 Frühstarts
- 11 E-Scooter-Fahrer: 0 Verstöße
- 2111 Kfz-Nutzer: 69 Verstöße (3,3 Prozent), davon 16 über einer Sekunde und ein Frühstart
Einordnung: Der zweispurige Linksabbieger vom Blaubach in Richtung Neuköllner Straße ist separat geschaltet. Dadurch verkürzen sich die Grünphasen für die einzelnen Verkehrsteilnehmer an der Kreuzung. Einige Autofahrer, die in der Gelbphase auf die Kreuzung zufahren, geben nochmal Gas, passieren die Ampel aber schon bei Rot. Die fahrradfreundliche Umgestaltung des Kreuzungsbereichs und längere Rotphasen verleiten bei geringem Verkehrsaufkommen auch einige Radfahrer dazu, das Rotlicht zu missachten.
Bußgelder, Punkte, Fahrverbot: Bei Kraftfahrzeugen (Pkw, Lkw, Motorrad) drohen bei einem einfachen Rotlichtverstoß 90 Euro Bußgeld und ein Punkt. Bei einem qualifizierten Verstoß (Ampel länger als eine Sekunde rot) werden 200 Euro fällig, hinzu kommen zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Auf Führerschein-Neulinge kann zudem die Teilnahme an einem Aufbauseminar sowie eine Probezeitverlängerung zukommen. Fahrradfahrer und E-Scooter-Nutzer müssen bei Missachtung einer roten Ampel mit 60 Euro und einem Punkt (einfacher Verstoß) bzw. 100 Euro und einem Punkt (qualifizierter Verstoß) rechnen. Fußgänger erwartet ein Bußgeld von fünf Euro.
„Die Ergebnisse zeigen, dass trotz teils empfindlicher Sanktionen zahlreiche Verkehrsteilnehmer das Rotlicht ignorieren. Je länger eine Rotphase anhält oder je geringer das Verkehrsaufkommen ist, umso eher wird eine rote Ampel ignoriert. Oft spielt auch Zeitdruck eine Rolle. Gegenseitige Rücksichtnahme und die Bereitschaft, Regeln zu befolgen, sind für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer aber unerlässlich. Wer Rotsignale missachtet, gefährdet sich und andere“, mahnt ADAC Experte Suthold. „Wer dies in Anwesenheit von Kindern tut, ignoriert zudem in voller Absicht seine Vorbildfunktion gegenüber jungen Verkehrsteilnehmern, indem er das bewusste Passieren roter Ampeln normalisiert.“
Zur Verbesserung der Situation könnten laut ADAC Nordrhein auch eine Überprüfung der Ampelschaltungen an Kreuzungen mit häufigen Rotlichtverstößen sowie – bei hohem Kfz-Aufkommen und vielen Verstößen – die Installation von Ampelblitzern und konsequente Ampelkontrollen durch die Polizei beitragen.
Potenzial sieht der ADAC zudem im Projekt „Ampel der Zukunft“ der Zentralstelle Verkehrsmanagement Bayern, das im November 2024 von der EU mit dem „Excellence in Road Safety Award“ ausgezeichnet wurde. Diese Ampel priorisiert Einsatzfahrzeuge, erkennt große Gruppen, Kinder, ältere Menschen sowie Rollstuhlfahrer und kann so die Grünphasen für Fußgänger und Radfahrer optimal steuern. Bevor dieses System allerdings flächendeckend eingeführt wird, vergehen voraussichtlich noch mehrere Jahre.
Hintergrund/Methodik: Das Kraftfahrtbundesamt verzeichnete 2023 insgesamt 327.230 Rotlichtverstöße, bei denen rund 10.000 Personen (Quelle: Destatis) verletzt oder sogar getötet wurden. Vor diesem Hintergrund hat der ADAC im Oktober 2024 das Verhalten von Verkehrsteilnehmern in fünf deutschen Großstädten untersucht. An einem Wochentag (Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag) wurden von 7 bis 11 Uhr die Rotlichtverstöße von Fußgängern, Rad-, E-Scooter- und Kraftfahrzeugfahrern (Pkw, Lkw, Motorrad) an je vier Kreuzungen in Berlin, Hamburg, München, Köln und Leipzig gezählt. Bei der Auswahl der Kreuzungen wurden folgende Kriterien berücksichtigt: Nähe zu Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs, zentrumsnahe Lage, Kreuzungen mit Mittelinseln und Kreuzungen mit hohem Autoverkehrsanteil.
Bei der Erhebung wurde zwischen einfachen (bis zu einer Sekunde Rotlicht) und qualifizierten Rotlichtverstößen (länger als eine Sekunde) unterschieden. Die Ergebnisse liefern somit nicht nur Einblicke in das allgemeine Verhalten, sondern auch in die besonders riskanten Verstöße. Zum Einsatz kam ein KI-gestütztes Kamerasystem, das zuverlässig erkennt, ob ein Fußgänger, Radfahrer oder motorisierter Verkehrsteilnehmer die rote Ampel ignoriert. Die Erhebung erfolgte vollständig anonym, so dass keine Rückschlüsse auf Personen oder Fahrzeugkennzeichen möglich waren. Die Messungen fanden außerhalb von Semester- und Schulferien sowie bei trockenem Wetter statt.
Ein O-Ton-Paket (Audio) sowie Fotos und Grafiken zur redaktionellen Verwendung (Quellenangabe) können Sie hier herunterladen: https://cloud.adac-nrh.de/s/Jes9cEHiQMQnqK9
Weitere Informationen zur ADAC Erhebung gibt es ab Dienstag unter www.adac.de/rotlichtverstoss.
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