„Kampf um die Straße: Wir brauchen eine menschengerechte Stadt!“
Autos, Fahrräder, E-Roller und Fußgänger brauchen Platz. Die Meter sind begrenzt, doch die Verkehrsmengen haben zugenommen. Prof. Dr. Roman Suthold vom ADAC Nordrhein spricht in seiner Kolumne über die Flächenkonkurrenz im Straßenraum.
Seit Februar 2020 bezieht Prof. Dr. Roman Suthold auf www.adac.de/nrw regelmäßig Stellung zu einem aktuellen Mobilitätsthema. In der neuen Kolumne vom 14. Mai 2020 formuliert der Mobilitätsexperte des ADAC Nordrhein seine Gedanken unter dem Titel „Kampf um die Straße: Wir brauchen eine menschengerechte Stadt!“.
Die zehn Kernaussagen aus der Kolumne von Prof. Dr. Roman Suthold im Überblick:
- „Der Verkehr ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, der Platz auf der Straße ist aber derselbe geblieben. Die Flächenkonkurrenz in Ballungsräumen ist deshalb eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.“
- „Durch Corona-bedingte Umsteiger, die sich in Bus und Bahn nicht mehr sicher fühlen, hat vielerorts der Rad- und Fußverkehr zugenommen. Doch damit kommt es zu neuen Problemen: Aufgrund mangelnder oder zu klein dimensionierter Geh- und Radwege können Fußgänger und Fahrradfahrer die neuen Abstandsregelungen nicht überall einhalten.“
- „In der Diskussion um Pop-Up-Radwege ist es wichtig, dass die Verkehrsräume nicht vorschnell umverteilt werden. Bei jeder Straße muss einzeln geprüft werden, ob ein temporärer Radfahrstreifen möglich und zum Schutz von Radfahrern notwendig ist. Die Flächenaufteilung sollte sich am Bedarf orientieren. Dazu müssen bestehende Radnetz- und Regelpläne stärker als früher berücksichtigt werden. Außerdem müssen alle temporären Radwege von Anfang an durch eine gute Evaluation begleitet werden, sodass eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage geschaffen wird. Im Zweifel müssen Entscheidungen zurückgenommen werden. Idealistische Gründe dürfen nicht zu unnötigen Staus und Umweltbelastungen führen.“
- „Während des akuten Corona-Lockdowns hat sich die Flächensituation auf der Straße entspannt, aber mit den Lockerungen im Mobilitätsbereich werden auch die Probleme wieder zurückkehren.“
- „Drei Schlussfolgerungen aus der Corona-Krise: Der Digitalisierungsschub muss stärker für die zukünftige Mobilität genutzt werden. Vertrauen in den ÖPNV lässt sich nur mit Hygiene- und Raumkonzepten zurückgewinnen, die den Pendlern wieder ein sicheres Gefühl geben. Sonst bleibt der ÖPNV auch in der Zeit nach Corona der große Verlierer. Fuß- und Radverkehr brauchen mehr Berücksichtigung in der Verkehrsplanung.“
- „Ein paar weiße oder gelbe Striche auf die Straße malen – wie man in manchen Städten die Strategie auf den Punkt bringen kann – reicht nicht aus. Es braucht eine systematische Herangehensweise und die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen. Nur so kann eine sichere Infrastruktur geschaffen werden, um langfristig mehr Menschen auf das Fahrrad zu bekommen. Mit der Initiative zum Radgesetz NRW der Landesregierung ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Mehr aber noch nicht.“
- „London, Amsterdam oder Oslo zeigen, wie es gehen kann. Aber als Blaupause können die Konzepte nicht eins zu eins auf deutsche Städte übertragen werden. Vielmehr muss jede Kommune ein eigenes Mobilitätskonzept entwickeln, das die regionalen Gegebenheiten und Anforderungen berücksichtigt.“
- „Klar ist bei allen ambitionierten Zielen auch, dass die Erreichbarkeit in den Innenstädten gewährleistet bleiben muss. Die Versorgung vor Ort benötigt Platz für Nutzfahrzeuge, Müllwagen und Busse. Konkret heißt das: 3,25 Meter Fahrstreifenbreite pro Richtung.“
- „Wir brauchen ein Verkehrskonzept, das nicht nur bei pandemiebedingten Einschränkungen funktioniert, sondern langfristig die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer in den Fokus rückt. Der Ausbau der Radinfrastruktur sollte weniger über vielbefahrene Hauptverkehrsadern führen, sondern könnte über Fahrradstraßen in die Nebenstraßen verlagert werden. Damit wären Radfahrer nicht nur sicherer, sondern auch gesünder unterwegs, weil die Schadstoffbelastung in Nebenstraßen nachweislich geringer ist.“
- „Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und alles auf ein Verkehrsmittel ausrichten, indem jetzt dogmatisch eine fahrradgerechte Stadt gefordert wird. Vielmehr brauchen wir einen Wandel weg von der autogerechten hin zur menschengerechten Stadt, in der die einzelnen Verkehrsträger ihre Stärken optimal ausspielen."
Die komplette Kolumne finden Sie hier: https://www.adac.de/der-adac/regionalclubs/nrw/kampf-um-die-strasse/
Kurzvita: Prof. Dr. Roman Suthold (47) ist seit 2006 Leiter des Fachbereichs „Verkehr und Umwelt“ beim ADAC Nordrhein. Der gebürtige Kölner lehrt zudem als Honorarprofessor an der Hochschule Fresenius (Köln) zum Thema „Mobilitätsmanagement“ und ist als Lehrbeauftragter an der Hochschule Bochum („Verkehrssysteme und -konzepte“) tätig. Seine Spezialgebiete sind Mobilität in Ballungsräumen, kommunale Verkehrsplanung und Digitalisierung im Mobilitätsbereich. Suthold hat an der Universität zu Köln Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Verkehrswissenschaften studiert und an der Bergischen Universität Wuppertal am Fachzentrum Verkehr promoviert. Nach dem Studium arbeitete er am Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität zu Köln und bei einer verkehrsspezifischen Unternehmensberatung des DB Konzerns in Frankfurt am Main. Seit 2004 ist er in verschiedenen Positionen beim ADAC tätig.
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