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Nordrhein-Westfalen | 06.09.2022

Klimawandel und Mobilität: Das ADAC NRW-Verkehrsforum 2022

Rund 100 Experten aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft diskutierten beim ADAC NRW-Verkehrsforum in Wuppertal über nachhaltige, klimagerechte Mobilität.

ADAC NRW-Verkehrsforum 2022 in Wuppertal: (v.l.): Thomas Velling, Prof. Dr. Iris Mühlenbruch, Ulrich Jaeger, Dr. Sören Trümper, Kirsten Holling, Ulrich Jansen, Christoph Jansen, Thomas Oehler. Foto: Thomas Banneyer

Beim ADAC NRW-Verkehrsforum 2022 in der Historischen Stadthalle Wuppertal haben rund 100 Experten aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft über die Frage „Wie kann nachhaltige, klimagerechte Mobilität aussehen?“ diskutiert. „Die aktuellen Klimaschutzziele sind ambitioniert und mit einem ‚Weiter so!' nicht zu erreichen. Insbesondere der Verkehrssektor muss hierzu einen Beitrag leisten. Es geht darum, Mobilität klimagerecht zu gestalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass Mobilität nicht zum Luxusgut wird“, betonte Thomas Velling, Vorstand Verkehr und Technik des ADAC Nordrhein, in seiner Begrüßungsrede.

Laut Klimaschutzgesetz soll der Verkehrssektor seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 auf ca. 85 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr reduzieren. Dies entspricht etwa einer Halbierung. Bis 2045 will Deutschland - auch im Verkehr - klimaneutral werden. Zwischen 1990 und 2019 ist der verkehrsbezogene CO2-Ausstoß in Deutschland aber nahezu identisch geblieben.

Mit Blick auf alternative Antriebsformen im Verkehr sagte Velling: „Alleine mit der Elektromobilität, die ohne Zweifel ein ganz entscheidender Zukunftsbaustein ist, lassen sich die ambitionierten Ziele nicht erreichen. Deshalb sind wir als ADAC unverändert für einen technologieoffenen Ansatz mit einer Perspektive für klimaneutral betankte Verbrennungsmotoren - Stichwort synthetische Kraftstoffe.“ Trotz steigender E-Auto-Zahlen müsse es auch darum gehen, die Bestandsfahrzeuge sauberer zu machen, die noch viele Jahre ebenfalls auf den Straßen unterwegs sein werden.

Kirsten Holling, Abteilungsleiterin im NRW-Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr machte ebenfalls deutlich, dass die aktuellen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen. „Wir müssen Verkehre vermeiden, verlagern und weniger CO2-intensiv gestalten. Dafür gibt es nicht die eine Lösung. Es braucht ein Zusammenspiel von Maßnahmen. Und die Umsetzung wird auch auf Widerstände und Kritik stoßen“, sagte Holling.

An Maßnahmen nannte sie den Ausbau der Elektromobilität und Ladeinfrastruktur, eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots, die stärkere Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf Schiene und Wasserwege, Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Änderungen in Rechtsbereichen. Der Fokus der NRW-Landesregierung liege auf dem ÖPNV, Rad- und Fußverkehr sowie dem Erhalt der Straßeninfrastruktur. Zum Mobilitätsmanagement in Städten sagte Holling: „Verkehr-, Umwelt- und Städtebauplanung müssen zusammenarbeiten.“

Die Kernaussagen der Fachreferenten

Dr. Sören Trümper, Fachreferent für Stromwirtschaft und Wasserstoff im Bereich Verkehrspolitik des ADAC e.V., über die Antriebswende und alternative Kraftstoffe:

„Der ADAC unterstützt die Klimaziele der Bundesregierung. Wir sagen Ja zur Antriebswende in Richtung Elektromobilität. Das ist die Maßnahme mit dem größten Einfluss auf die Emissionsminderung.

Weiterhin sind aber sehr viele Verbrenner auf den Straßen unterwegs. Sie werden noch Jahrzehnte im Bestand bleiben und müssen auch klimafreundlicher werden. E-Fuels, aus erneuerbaren Energien hergestellt, können einen relevanten Beitrag leisten, auch wenn die Produktion noch sehr energieintensiv ist. Es gibt so viel erneuerbare Energie-Potentiale. E-Fuels sind eine Kostenfrage und keine Effizienzfrage.“

Prof. Dr. Iris Mühlenbruch, Professorin für Verkehrswesen an der Hochschule Bochum, über die Klimaanpassung im urbanen Bereich und Auswirkungen auf die Verkehrsplanung:

„Belange der Klimaanpassung, Wetterereignisse wie extreme Hitze oder Starkregen, müssen künftig in der Verkehrs- und Stadtplanung systematisch berücksichtigt werden. Der erste Schritt ist eine Stadtklimaanalyse: Wo befinden sich Wärmeinseln, wo gibt es Frischluftschneisen, wie sieht die Straßenentwässerung bisher bei Starkregen aus? Dann folgt das Klimaanpassungskonzept, was inzwischen zunehmend mehr Kreise und Kommunen für sich erarbeiten.

Die Menschen sollen sich in der Stadt wohlfühlen. Dazu braucht es eine Reduktion des Verkehrs und eine Umplanung von Flächen, mehr Raum für Fußgänger, schattige Plätze und eine Begrünung von Straßenzügen.“

Christoph Jansen, Regionalleiter Rheinland/Ruhrgebiet beim Landesbetrieb Straßenbau NRW, über Resilienz in der Infrastrukturplanung:

„Die Aufarbeitung der Schäden nach der Flutkatastrophe hat gezeigt, dass die Behörden bei entsprechender Vereinfachung der Regularien schnell und unbürokratisch handeln und die Infrastruktur in sehr kurzen Zeiten erneuern können. Im Rekordtempo konnten innerhalb eines Jahres nahezu alle Schäden behoben werden. Viele der angewandten Vereinfachungen sowohl im organisatorischen als auch technischen Bereich sollen zukünftig zu Standards bei Straßen.NRW werden.

Die Übertragbarkeit ist aufgrund vieler gesetzlicher Bestimmungen aber nicht überall gegeben, sondern teilweise auf Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen beschränkt. Um nachhaltig Infrastrukturmaßnahmen zu beschleunigen, sind daher weitere Vereinfachungen insbesondere im Vergabe- und Umweltrecht notwendig.“

Ulrich Jansen, Researcher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, zur Frage „Mobilität und Klima - wie viel Zeit haben wir noch?“:

„Wir haben nicht mehr viel Zeit. Zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr sind größere Anstrengungen notwendig als sie im Koalitionsvertrag angelegt sind. Wir brauchen neue und zusätzliche Ansätze im Verkehr, die Antriebswende zu beschleunigen und motorisierte Verkehre ganz erheblich zu reduzieren.

Wir haben vier Strategien und Maßnahmen zur Zielerreichung untersucht: Das Neuzulassungsverbot für Verbrennerfahrzeuge auf 2025 vorzuziehen, würde bis 2030 etwa 43,5 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen. Mit einem Moratorium zum Neu- und Ausbau des Straßennetzes des Bundes sind 20,9 Millionen Tonnen CO2-Einsparung mehr bis 2030 möglich. Bei einer Autoabschaffungsprämie wären es 9,6 Millionen Tonnen CO2. In Berlin prüft man gerade die Einführung einer Nullemissionszone. Solche Zonen verstärken die Wirkung der EU- und Bundespolitik zur Beschleunigung der Antriebswende. Für die Einrichtung fehlt bisher aber noch die rechtliche Grundlage.“

Carsten Schröder, von der Telekom Mobility Solutions / Deutsche Telekom AG, über Klimawandel & Corporate Mobility:

„Fast die Hälfte unserer Mitarbeiter entscheidet sich heute beim Auto für ein Elektrofahrzeug. Alles auf elektrisch umstellen und sich zurücklehnen reicht aber nicht. Wir müssen viel mehr tun, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Das ist eine enorme Kraftanstrengung.

Wir als Arbeitgeber werden ein stückweit mit dafür verantwortlich gemacht, wie die Menschen zur Arbeit kommen. Uns werden die CO2-Emissionen des Pendelverkehrs zugeordnet. Die Menschen sollen auch in der Lage sein, anders zur Arbeit zu kommen als mit dem Auto. Corporate Mobility ist ein ganz wesentlicher Punkt. Deshalb diversifizieren wir unsere Antriebsarten und die modalen Möglichkeiten über eine Mobility-as-a-Service-Plattform für unsere Mitarbeiter enorm.“

Ulrich Jaeger, Geschäftsführer Verkehr WSW mobil GmbH und VDV-Landesgruppenvorsitzender, über den Beitrag des ÖPNV zum Mobilitätswandel:

„Verkehrsvermeidung fängt schon bei der Stadtplanung an. Verkehr und Mobilität müssen von vorneherein mitgedacht werden, mit dem Ziel, möglichst wenig Verkehr zu haben. Sich vor Ort um die Antriebswende zu kümmern, heißt auch, zu schauen: Was passt zu meiner Stadt, zu meinem Standort? Wenn Sie die Verkehrswende lokal denken, dann brauchen sie ein Angebot.

Und wir müssen an der Angebotsqualität arbeiten. Sonst nützt das günstigste ÖPNV-Ticket nichts. Bei der Schwebebahn lagen wir in den letzten drei Monaten bei 99 Prozent Pünktlichkeit. Im Busbereich schaffen wir das nicht. Die Aufenthaltsqualität an jeder Haltestelle, an jedem Bahnhof muss so sein, dass man sich wohlfühlt, dass es keine Angsträume gibt. Sonst steigen die Leute ganz schnell wieder ins Auto. Über allem steht die Finanzierung. Finanzierung heißt nicht Fahrpreis. Bund, Land und Kommunen sind hier gemeinsam gefordert.“

Thomas Oehler, Vorstand Technik, Verkehr und Umwelt des ADAC Westfalen:

„Klar ist: Wenn wir Mobilität und Klimaschutz erfolgreich gestalten wollen, dann müssen wir unser Umwelt-Wissen mit unserem Handeln endlich in Einklang bringen. Unternehmen, Verbraucher und nicht zuletzt die Politik sind zu mehr klimagerechtem Handeln gefordert. Die Mobilitätswende ist ohne eine Verhaltensänderung nicht möglich - eine Umkehr der aktuellen Klimaentwicklung noch viel weniger. Änderungen können nur dann gelingen, wenn sie als positiver Wandel und nicht als aufgezwungene Maßnahme in unser Leben getragen werden.

Es eilt! Das verdeutlichen Extremwetter-Ereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal und Rheinland. Pendler aber auch Privatpersonen brauchen nachhaltige Lösungen für ihre Wege. Dabei darf der ländliche Raum nicht vergessen werden. Betriebliches Mobilitätsmanagement ist einer der Einflussfaktoren bei der täglichen Wahl des Verkehrsmittels. Ohne einen öffentlichen und umweltfreundlichen Verkehr, der das Rückgrat der Mobilität bildet, geht es nicht.“

Fotos vom ADAC NRW-Verkehrsforum 2022 in Wuppertal können Sie zur freien redaktionellen Verwendung (Quelle: ADAC in NRW) hier herunterladen: https://cloud.adac-nrh.de/s/SjiqPbodrSkyPTN

Auf dem Gruppenfoto (v.l.):
Thomas Velling, Prof. Dr. Iris Mühlenbruch, Ulrich Jaeger, Dr. Sören Trümper, Kirsten Holling, Ulrich Jansen, Christoph Jansen, Thomas Oehler.


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