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Nordrhein-Westfalen | 08.11.2022

Lkw-Parken an Rastanlagen: Katastrophale Zustände auch in NRW

ADAC Erhebung zeigt: Schwerwiegende Parkverstöße auf 72 Prozent der untersuchten Rastanlagen in NRW.

Lkw-Parken an Rastanlagen entlang deutscher Autobahnen: Gesamtergebnis der ADAC Erhebung vom August 2022.

Die wichtigsten Ergebnisse der ADAC Untersuchung auf einen Blick:

  • Lkw-Stellplatzmangel führt zu katastrophalen Zuständen auf Autobahn-Rastanlagen
  • Gefährliche Lkw-Parkverstöße auf fast jeder zweiten Rastanlage
  • Dramatische Lage auch in NRW
  • ADAC Experte: „Die Politik hat versagt.“

Auf Rastanlagen an deutschen Autobahnen herrschen mit Blick auf die Lkw-Parksituation katastrophale Zustände. Zu diesem Ergebnis kommt der ADAC in einer aktuellen Erhebung auf 96 Rastplätzen entlang der zwölf Hauptrouten für den Schwerlastverkehr (A1 bis A9, A14, A45 und A61). Lediglich auf einer untersuchten Anlage (Lüneburger Heide West, A7, Niedersachsen) fand der ADAC zu den Zählzeitpunkten 22 Uhr, 23 Uhr und 0 Uhr keinen falsch abgestellten Lkw.

Besonders gravierend: Auf fast jedem zweiten Rastplatz (46 von 96) registrierte der Mobilitätsclub hochriskante Lkw-Parkverstöße. Hier standen Laster im sensiblen Ein- und Ausfahrtbereich oder auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Auf 86 Anlagen (90 Prozent) parkten Lkw im absoluten Halteverbot oder auf nicht für sie freigegebenen Parkflächen wie Pkw- oder Wohnmobil-Stellplätzen. Das Abstellen des Fahrzeugs außerhalb markierter Flächen, zum Beispiel in den Fahrgassen zwischen den Stellplätzen, war bis auf wenige Ausnahmen fast schon die Regel (92 von 96). Laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die Anfang 2020 veröffentlicht wurde, fehlen entlang der Autobahnen rund 23.500 Lkw-Stellplätze, 3.800 davon in Nordrhein-Westfalen.

Die Politik hat versagt! Überall sind Rastanlagen verstopft. Die Stellplätze reichen hinten und vorne nicht und das, obwohl das Problem seit Jahrzehnten bekannt ist und sich zunehmend verschärft“, kritisiert Prof. Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC in NRW. Zum ersten Erhebungszeitpunkt um 22 Uhr waren die Anlagen in der Regel überfüllt, selbst danach stieg der Parkdruck tendenziell sogar noch weiter an. Zwei Anlagen konnten gar nicht ausgezählt werden, weil die Tester keine Möglichkeit gefunden hatten, ihr eigenes Fahrzeug abzustellen.

In Nordrhein-Westfalen hat der ADAC 18 Anlagen an der A1, A2, A3, A4, A45 und A61 unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist auch hier besorgniserregend: Bei 13 Rastplätzen (72 Prozent) stellte der Club schwerwiegende Parkverstöße fest. Auf der Anlage „Hasbacher Höhe“ bei Bergneustadt an der A4 (Köln – Olpe) parkten bis zu vier Lkw gleichzeitig in der Ein- und Ausfahrt oder auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Auf der A3 zählte der ADAC an den Rastplätzen „Ohligser Heide West“ bei Hilden (Oberhausen – Köln), „Siegburg West“ und „Logebachtal West“ im Siebengebirge (Köln – Bad Honnef/Linz) jeweils bis zu drei parkende Lkw im hochriskanten Bereich.

Auf 16 von 18 Rastplätzen (89 Prozent) in NRW fand der Club Fahrzeuge auf nicht für sie zugelassenen Parkflächen oder im absoluten Halteverbot. Negative Spitzenreiter waren die Anlagen „Ohligser Heide“ auf der A3 (bis zu 20 zeitgleiche Verstöße) und „Bedburger Land West“ (17) auf der A61 (Mönchengladbach – Kerpen). Lkw, die außerhalb von markierten Parkflächen abgestellt wurden, entdeckte der ADAC auf 17 von 18 Anlagen. Mehr als 30 dieser Verstöße zur gleichen Zeit gab es auf den Rastplätzen „Lichtendorf Nord“ bei Schwerte (A1, Dortmund – Gevelsberg), „Rhynern Süd“ bei Hamm (A2, Dortmund – Rheda-Wiedenbrück) und „Frechen Süd“ (A4, Kerpen – Köln). Nur auf der Anlage „Engelgau“ bei Blankenheim (A1, Euskirchen – Blankenheim) fand der ADAC keinen Lkw außerhalb markierter Stellplätze.

„Natürlich dürfen Lkw-Fahrer niemals in den Ein- und Ausfahrten von Rastanlagen parken. Hier passieren immer wieder schreckliche Unfälle. Warum machen manche Fahrer das trotzdem? Dahinter steckt oft die pure Verzweiflung, weil einfach kein Parkplatz gefunden wurde“, mahnt ADAC Experte Suthold. Die Suche nach einer Stellfläche zur Einhaltung der vorgeschrieben Ruhezeiten setze die Fahrer unter Druck. Hinzu kommt: Je länger es dauert, umso mehr nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab und die Müdigkeit steigt. „Übermüdung gehört neben zu geringem Abstand und Ablenkung zu den drei Hauptursachen von Lkw-Unfällen“, weiß Suthold. Infolge der Parkplatznot stellen zahlreiche Fahrer ihre Fahrzeuge dann unerlaubt in hochriskanten Bereichen ab, um so die zulässige Lenkzeit nicht zu überschreiten – mit gefährlichen Konsequenzen für alle Verkehrsteilnehmer.

Das illegale Abstellen von Lkw in den Zu- und Abfahrten von Rastanlagen sowie auf dem Seitenstreifen muss stärker kontrolliert und geahndet werden. Dazu braucht die Polizei aber mehr Personal“, erklärt Suthold. Auf der anderen Seite fordert der ADAC von der Politik einen zügigeren Aus- und Neubau von Lkw-Stellplätzen entlang der Autobahnen. Die bisherigen Mittel reichten dafür nicht aus. Der Bund stellt bisher im Zeitraum von 2021 bis 2025 insgesamt 90 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen 4.000 zusätzliche Lkw-Stellplätze im Drei-Kilometer-Radius von Autobahn-Anschlussstellen geschaffen werden. „Das ist leider kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“, bemängelt Suthold. Allerdings bestehen gegen den Neu- und Ausbau von Rastanlagen oftmals auch starke Vorbehalte betroffener Anwohner, Gemeinden und Grundstückseigentümer. Dies führt zu erheblichen Verzögerungen bei der Schaffung von Baurecht.

Mehr Rastplätze müssen mit intelligenten, digitalen Parksystemen ausgestattet werden. So können kurzfristig ohne zusätzlichen Flächenverbrauch mehr Lkw-Parkflächen entstehen“, erklärt der ADAC Verkehrsexperte. Auch private Firmengelände in Autobahnnähe, zum Beispiel von Speditionen, sollten stärker für die Nutzung als Lkw-Stellplätze in Betracht gezogen werden. Weitere Lösungsansätze sieht der ADAC im Ausbau von Lkw-Parkleitsystemen, die den Fahrern in Echtzeit Informationen über freie Parkplätze liefern, sowie einer stärkeren Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn und Binnenschifffahrt.

Deutschland ist das größte Transitland innerhalb der Europäischen Union und verfügt über das dichteste Fernstraßennetz Europas. Nie zuvor nutzten mehr Lkw diese Routen als im Jahr 2021. Amtlichen Prognosen zur Folge soll das Lkw-Aufkommen in den nächsten Jahren weiter steigen.

Die Situation in Europa: Weil der Schwerlastverkehr grenzüberschreitend durch Europa rollt, hat sich der ADAC bei benachbarten Automobilclubs erkundigt, wie dort mit dem Problem falsch parkender Lkw entlang der Autobahnen umgegangen wird. Von fehlenden Parkplätzen für Lkw berichteten auch die Partnerclubs in Österreich, Dänemark und der Schweiz. Italien kennt dieses Problem dagegen offenbar nicht. Österreich und Italien bekämpfen das Falschparken mit Videoüberwachung an den Rastanlagen und drakonischen Bußgeldern von teilweise mehr als 1000 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland zahlen Lkw-Fahrer für Parken im absoluten Halteverbot im besten Fall nur 35 Euro. Bei längerem Falschparken oder gar Halten auf dem Standstreifen der Autobahn wird es aber deutlich teurer. Punkte in Flensburg können dazukommen. Langfristig setzen Dänemark, Österreich und die Schweiz auf den Ausbau der (bestehenden) Parkflächen für Lkw, Österreich und Italien zudem auf Parkleitsysteme und die stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, z.B. durch den Brennerbasistunnel.

Das fordert der ADAC von der Politik:

  • Aus- und Neubau von Lkw-Stellplätzen entlang der Autobahnen, in der der Nähe von Anschlussstellen sowie auf Autohöfen
  • Ausstattung bestehender und neuer Rastanlagen mit intelligenten Lkw-Parksystemen (siehe z.B.: https://kolonnenparken.de)
  • Ausbau von Lkw-Parkleitsystemen
  • Mehr Personal für konsequentere Polizeikontrollen und Ahndung von regelwidrig und gefährlich abgestellten Lkw (insbesondere in den Zu- und Abfahrten von Rastanlagen sowie auf Seitenstreifen)
  • Verlagerung des Güterverkehrs auf Bahn und Binnenschifffahrt
  • Ausbau der Beleuchtung für mehr Sicherheit (auch an unbewirtschafteten Rastanlagen)

Das empfiehlt der ADAC Unternehmen, Anwohnern und Grundstückseigentümern:

  • Bereitstellung privater Parkflächen für Lkw in der Nacht durch Unternehmen (z.B. Speditionen)
  • Ausbau intelligenter Parksysteme (Modelle u.a. „Montabaur Kolonnenparken“ oder „Bosch Secure Service Parking“)

Das können/sollten Lkw-Fahrer aus Sicht des ADAC tun:

  • Frühzeitig Rastanlagen anfahren, Parkmöglichkeiten abseits der Autobahn nutzen (z.B. Autohöfe)
  • Nationale Regeln und Verkehrsvorschriften einhalten
  • Niemals im Zu- und Abfahrtsbereich von Rastanlagen parken
  • Parkflächen freihalten, die nicht für Lkw freigegeben sind (z.B. für Pkw, Wohnmobile)

Das rät der ADAC Autofahrern:

  • Insbesondere bei Dunkelheit mit großer Vorsicht und langsam auf Rastanlagen ein- und ausfahren
  • Verständnis aufbringen für Lkw-Fahrer, die im Notfall falsch parken (z.B. wegen der Pflicht zum Einhalten gesetzlicher Lenk- und Ruhezeitenregelungen)
  • Lkw-Parkflächen freihalten

Methodik: Der ADAC hat für seine Erhebung 96 bewirtschaftete und unbewirtschaftete Rastanlagen untersucht, davon 18 in Nordrhein-Westfalen. Die Rastplätze liegen an den Lkw-Hauptverkehrsrouten A1 bis A9 sowie der A14, A45 und A61. Sie befinden sich an Standorten, wo nach Zählung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) besonders viel Schwerlastverkehr unterwegs ist. Die Zählung der Lkw-Parkverstöße fand an den stark frequentierten Wochentagen Dienstag und Mittwoch statt (3./4. August), jeweils um 22 Uhr, 23 Uhr und 0 Uhr. Registriert wurden an den Anlagen jeweils die falsch parkenden Lkw unter Berücksichtigung der Beschilderung vor Ort. Spezielles Augenmerk wurde auf Falschparker in den Ein- und Ausfahrten sowie auf den Standstreifen gelegt, da von diesen eine besondere Gefahr ausgeht. Je nach Gefährdung der Verkehrsteilnehmer stufte der ADAC die Parkverstöße als leichtes, mittleres oder schweres Vergehen ein – vom Parken außerhalb markierter Parkflächen über das Abstellen auf nicht für Lkw zugelassenen Parkplätzen, bis hin zum hochriskanten Parken in den Ein- und Ausfahrten oder auf dem Seitenstreifen der Autobahn.

Mehr Informationen zur ADAC Erhebung und die Einzelergebnisse aller Rastplätze finden Sie ab 8. November auf www.adac.de

Ein O-Ton-Paket sowie eine Grafik zur redaktionellen Verwendung (Quellenangabe) können Sie hier herunterladen: https://cloud.adac-nrh.de/s/9fpFQ8SZWFSk3Nb

Gerne stellen wir Ihnen auf Anfrage auch Video-Footage (Quelle: ADAC e.V.) zur Verfügung.


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