Jede sechste S-Bahn in Köln fällt aus!
ADAC Auswertung zur Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des ÖPNV: Baumaßnahmen und ein überlastetes Schienennetz sorgen bei der S-Bahn in Köln für viele Verspätungen und Zugausfälle.
Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:
• Jede sechste S-Bahn in Köln fällt aus (S6, S11, S12, S19)
• Etwa die Hälfte der Kölner S-Bahnen hat mindestens drei Minuten Verspätung
• ADAC: Pünktlichkeitsquoten der ÖPNV-Betreiber zu hoch bemessen
• Ausbau der S-Bahn-Strecke: ADAC Auswertung unterstreicht Notwendigkeit
In Köln kommen S-Bahnen häufig zu spät oder fallen komplett aus. Das geht aus einer aktuellen Analyse des ADAC hervor, die auf Verkehrsdaten des Zweckverbands go.Rheinland basiert. Demnach fiel im September laut ADAC Recherche jede sechste S-Bahn in Köln aus. Etwa die Hälfte der Züge kam mindestens drei Minuten zu spät. Nur jede vierte S-Bahn fuhr mit einer Verspätung von unter einer Minute. Der ADAC rechnete die ausgefallenen Züge jeweils als verspätet mit ein. Für go.Rheinland gelten Bahnen mit weniger als vier Minuten Verspätung hingegen noch als pünktlich. Der Zweckverband lässt außerdem Zugausfälle in seiner Statistik unberücksichtigt und kommt so im September auf eine Pünktlichkeitsquote von knapp 75 Prozent (S6, S11, S12, S19).
„Wer wegen einer Verspätung seine Umsteigeverbindung verpasst, muss je nach Takt vielleicht 20 Minuten oder sogar noch länger warten. Das bedeutet: Entweder plant man mit einer Bahn Reserve oder nimmt eben doch das Auto. Das ist nicht im Sinne des Mobilitätswandels. Es hilft also nicht, wenn die Verspätung ‚nur‘ vier Minuten beträgt“, erklärt Verkehrsexperte Prof. Dr. Roman Suthold vom ADAC Nordrhein. Erforderlich sind aus Sicht des Clubs nicht nur zielgerichtete Investitionen in die Infrastruktur des ÖPNV, sondern auch Transparenz im Umgang mit Echtzeitdaten.
Der ADAC hat die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des ÖPNV in mehreren deutschen Städten analysiert. Dazu untersuchte der Mobilitätsclub im September Verspätungen und Ausfälle von S- und U-Bahnen in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und Köln (nur S-Bahn). Die Verkehrsverbünde in Berlin (VBB), Hamburg (HVV) und Frankfurt (RMV) zeigten sich offen und stellten dem ADAC ihre Datenschnittstellen zur Verfügung. Der Kölner Zweckverband go.Rheinland, zuständig für die Organisation und Planung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) in den Gebieten der Verbundräume AVV und VRS, lieferte dem ADAC für die S-Bahnen im Kölner Stadtgebiet (S6, S11, S12, S19) zumindest eine eigene Auswertung. Die Deutsche Bahn (DB) und der Münchner Verkehrsverbund (MVV) verweigerten hingegen jegliche Zusammenarbeit.
Das Ergebnis der ADAC Recherche in den vier untersuchten Städten: Die von den Betreibern selbst veröffentlichten hohen Pünktlichkeitsquoten – oft zwischen 80 und annähernd 100 Prozent – haben nach Ansicht des ADAC mit der Realität am Bahnsteig meistens wenig zu tun. „Solche Traumquoten kommen zustande, wenn Betreiber Zugausfälle unter den Tisch fallen lassen oder der im Fernverkehr übliche Schwellenwert von sechs Minuten auch für den ÖPNV angewendet wird. Verspätungen von unter sechs Minuten im Nahverkehr generell noch als pünktlich zu werten, halten wir aber für realitätsfern. Auch der Schwellenwert von go.Rheinland ist mit vier Minuten zu hoch“, kritisiert ADAC Experte Suthold. Schwellenwerte von einer bis drei Minuten seien aus Verbrauchersicht deutlich realistischer. In Köln wäre dann – unter Berücksichtigung der Ausfälle – nur noch jede vierte bzw. zweite S-Bahn pünktlich.
Die Ausfallquote der Kölner S-Bahnen lag im September laut go.Rheinland bei 16,6 Prozent – jede sechste S-Bahn kam also gar nicht. Gründe für Verspätungen und Ausfälle sind Baumaßnahmen und ein überlastetes Schienennetz. Die S-Bahn teilt sich in Köln viele Gleise mit Regional- und Güterzügen. „Der ÖPNV ist das Rückgrat der Mobilität in Ballungsräumen. Gerade am Knotenpunkt Köln läuft das System am Limit. Die Erweiterung des S-Bahn-Netzes mit zusätzlichen Gleisen und Bahnsteigen am Kölner Hauptbahnhof sowie am Bahnhof Köln Messe/Deutz ist daher unverzichtbar und schafft hoffentlich auch mehr Zuverlässigkeit“, betont Suthold. Ein gut ausgebauter ÖPNV entlaste den Verkehr auf der Straße und helfe damit auch denen, die auf das Auto angewiesen seien.
Unter den vier vom ADAC untersuchten Städten liegt Hamburg bei der ÖPNV-Zuverlässigkeit (wenige Ausfälle) ganz vorne. Jeweils 99 Prozent der geplanten S- und U-Bahnen fuhren im September 2024 auch tatsächlich. In Berlin und Frankfurt lagen die Werte zwischen 92 und 97 Prozent (Köln: 83,4 Prozent). Allerdings wurden die Daten nicht in einem Wintermonat analysiert, wenn vor allem die S-Bahn anfälliger ist.
Auch in Sachen Pünktlichkeit ist die Hamburger U-Bahn Spitze: 93 Prozent der Züge hatten weniger als eine Minute Verspätung. Das schafften in Berlin und Frankfurt nur knapp 50 Prozent der U-Bahnen. Bei den Hamburger S-Bahnen erfüllten gut drei Viertel den strengen Schwellenwert (weniger als eine Minute Verspätung), in Berlin etwa die Hälfte. In Frankfurt kam nur jede dritte S-Bahn weniger als eine Minute zu spät (Köln: jede vierte S-Bahn).
Unter der Woche im Berufsverkehr (6 bis 10 und 14 bis 19 Uhr) zeigten Berlin, Köln und vor allem Frankfurt negative Ausschläge. Am Wochenende stieg die Pünktlichkeit in allen vier untersuchten Städten an (insbesondere sonntags).
Das fordert der ADAC von ÖPNV-Betreibern:
- Bei der Berechnung von Pünktlichkeitsquoten im ÖPNV sollten niedrige Pünktlichkeitsschwellenwerte von maximal drei Minuten oder besser einer Minute angesetzt werden. Höhere Verspätungen führen im ÖPNV leicht zu einem Anschlussverlust.
- Zugausfälle müssen in die Pünktlichkeitsquote inkludiert und als Verspätung gewertet werden. Aus der Verbraucherperspektive macht das aktuell übliche Rausrechnen von Ausfällen keinen Sinn.
- Fahrgastinformationen zu Verspätungen und Ausfällen sollten über alle Kanäle hinweg identisch sein – egal ob ÖPNV-App, Bahnsteig-Anzeige oder Durchsage.
- Insbesondere in Stoßzeiten sollten Fahrgastströme gesteuert werden: Hierzu können, neben klaren Beschilderungen und Anzeigen, auch innovative Lösungen beitragen. Beispiel: In Hamburg und Berlin zeigt das Lightgate-System am Bahnsteig frühzeitig an, in welchen der einfahrenden Waggons noch freie Plätze vorhanden sind.
Hintergrund/Methodik: Ziel der ADAC Recherche war es, den S- und U-Bahn-Verkehr in den fünf größten deutschen Städten zu analysieren: Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main. Fast alle Städte veröffentlichen auf Dashboards im Internet selbst Zahlen zur Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, allerdings sind diese untereinander aufgrund von unterschiedlichen Berechnungen kaum vergleichbar.
Die Deutsche Bahn (DB) und der Münchner Verkehrsverbund (MVV) erteilten dem ADAC keine Genehmigung, ihre Datenschnittstellen für das Verbraucherschutzprojekt zu nutzen. Die Verkehrsverbünde in Berlin (VBB), Frankfurt am Main (RMV) und Hamburg (HVV) zeigten sich hingegen offen und stellten dem ADAC ihre Datenschnittstellen zur Verfügung. Der Kölner Zweckverband go.Rheinland lieferte dem ADAC eine eigene Auswertung. Diese konnte aufgrund einer eigenen Berechnungsmethode und späterer Verfügbarkeit jedoch nur punktuell in die ADAC Analyse eingehen. Die Werte für die Kölner S-Bahnen (S6, S11, S12, S19) sind daher nur annäherungsweise mit den Ergebnissen der anderen Städte vergleichbar.
Schwerpunkt der ADAC Untersuchung war der September 2024. Für S- und U-Bahnen in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Köln (nur S-Bahn) wurde die Zuverlässigkeit (Zug ausgefallen oder nicht?) und Pünktlichkeit (Zug verspätet oder nicht?) analysiert. Dabei wertete der ADAC auch ausgefallene Züge als verspätet, was ÖPNV-Betreiber in ihren offiziellen Zahlen in der Regel nicht tun. Zudem verwenden die Deutsche Bahn (DB) und manche ÖPNV-Betreiber einen Pünktlichkeitsschwellenwert von sechs Minuten. Demnach zählen alle Züge, die bis zu 5:59 Minuten Verspätung haben, noch als pünktlich. Auch hier war der ADAC strenger und hat in seiner Auswertung niedrigere Schwellenwerte angesetzt, mit dem Ziel, die alltägliche Nutzersituation im ÖPNV realistisch abzubilden.
Ein O-Ton-Paket (Audio) zur redaktionellen Verwendung können Sie hier herunterladen: https://cloud.adac-nrh.de/s/CSxRg3rmBgCHpcQ
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