Schulweg: Das sind die Sorgen der Eltern in NRW
ADAC Umfrage: Unachtsame Verkehrsteilnehmer bereiten Eltern n NRW auf dem Schulweg ihrer Kinder die größten Sorgen.
In Nordrhein-Westfalen empfindet nur gut die Hälfte der Eltern den Schulweg ihrer Kinder als sicher (54 Prozent). Bundesweit sind es 57 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des ADAC hervor. Für 46 Prozent der befragten Eltern ist der Weg zur Schule ihrer Kinder nicht sicher genug, knapp sechs Prozent davon halten ihn sogar für gefährlich. Die größten Sorgen bereiten 46 Prozent der Eltern unachtsames Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer und zu schnelles Fahren. Mehr als ein Viertel befürchtet, dass ihr Kind von Fremden angesprochen wird oder sich durch den Schulweg gefährliche Situationen ergeben. 23 Prozent haben Sorge, dass ihr Kind Verkehrssituationen nicht richtig einschätzen kann.
Der ADAC hat 466 Eltern in NRW (3395 bundesweit) zum eigenen Sicherheitsempfinden und dem ihrer Kinder sowie dem Verhalten auf dem Weg zu Schule befragt. Die Schüler selbst klagen in Nordrhein-Westfalen der Umfrage nach am meisten über rücksichtsloses Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer (37 Prozent).
Problem Elterntaxi: Das sagen die Eltern selbst
Das sogenannte Elterntaxi wird mehrheitlich problematisch gesehen. Zwei Drittel der befragten Eltern (67 Prozent) sagen, dass vor der Schule zu viele Autos halten, die Kinder hinbringen oder abholen. Von den in NRW befragten Eltern, die ihr Kind zur Schule fahren, halten 49 Prozent direkt vor dem Schulgebäude. Für 63 Prozent der Eltern entstehen durch Elterntaxis nach eigenem Empfinden gefährliche Verkehrssituationen.
Bundesweit sehen sogar 41 Prozent der Eltern, die als Elterntaxi zur Schule fahren, dieses Verhalten kritisch. Dass sie ihre Kinder trotzdem zur Schule bringen, liegt nach Angaben der Eltern überwiegend an Anschlussterminen, schlechtem Wetter, weil es auf dem Weg liegt oder es schneller geht. Mangelnde Verkehrssicherheit oder fehlende Verbindungen spielen seltener eine Rolle. Begleiten Eltern ihr Kind hingegen zu Fuß zur Schule, sind auch die soziale Sicherheit und Verkehrssicherheit wichtige Gründe.
„Durch Elterntaxis entstehen vor den Schulen häufig chaotische Situationen. Verkehrsverstöße sind eher die Regel als die Ausnahme. Das Unfallrisiko ist extrem hoch“, erklärt Prof. Dr. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC in NRW. „Gleichzeitig bekommen die Kinder als passive Teilnehmer auf der Rückbank kein Gespür für den Straßenverkehr und seine Gefahren.“ Der ADAC unterstützt die Schulen deshalb bei der Einrichtung von Elternhaltestellen im näheren Umfeld der Schule. Von dort legen die Kinder den verbleibenden Schulweg zu Fuß zurück. Aktuell steuern erst 33 Prozent der Eltern in NRW eine solche Haltestelle an. Laut ADAC liegt das aber auch an der mangelnden Verfügbarkeit.
50 Prozent der Schüler in NRW gehen meistens zu Fuß
Die Hälfte der Schüler in Nordrhein-Westfalen geht meistens zu Fuß in die Schule bzw. zur ÖPNV-Haltestelle, 71 Prozent von ihnen gemeinsam mit anderen Schülern. Dazu rät auch ADAC Experte Suthold: „Der tägliche Fußweg hat positive Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht, die körperliche Fitness und das Sozialverhalten.“ 21 Prozent der Schüler nutzen im Frühjahr/Sommer hauptsächlich das Fahrrad (Herbst/Winter: 15 Prozent), 25 Prozent fahren mit dem Linienbus (Herbst/Winter: 27 Prozent) und 20 Prozent steigen in einen Schulbus (Herbst/Winter: 22 Prozent). 32 bis 41 Prozent der NRW-Schüler werden je nach Jahreszeit an mindestens ein bis zwei Tagen pro Woche allerdings auch mit dem Auto gebracht.
Als Schulweg nutzen die Kinder nach Angaben der Eltern am häufigsten die kürzeste (48 Prozent) und/oder verkehrssicherste Route (45 Prozent). Der ADAC empfiehlt Eltern, unbedingt eine Strecke mit möglichst wenig Gefahrenstellen auszusuchen, auch dann, wenn die Kinder dadurch einen kleinen Umweg nehmen müssen. Ein aktueller Schulwegplan liegt in NRW laut ADAC Umfrage allerdings nur 18 Prozent der Eltern vor. „Das ist erschreckend! Die Schulen müssen die Pläne auf den neusten Stand bringen und die Eltern darüber informieren“, fordert Suthold. Immerhin 60 Prozent der Eltern würden einen solchen Plan nutzen, sofern dieser vorhanden ist. Unterstützung durch Schülerlotsen oder Schulweghelfer bekommen selbst Grundschulkinder in NRW auf ihrem Weg eher selten (Hinweg: 19 Prozent; Rückweg: 10 Prozent).
Jedes fünfte Kind laut Eltern durch Smartphone angelenkt
Die drei wichtigsten Maßnahmen für einen sicheren Schulweg sind aus Sicht der Eltern das Vorleben richtigen Verhaltens im Straßenverkehr, helle bzw. reflektierende Kleidung sowie eine ausreichende Verkehrserziehung im Schulalltag (Zustimmungswerte 79 bis 86 Prozent). Auch ein verkehrssicheres Fahrrad und das Tragen eines Helmes (78 Prozent) sowie das Einüben des Schulwegs (77 Prozent) gehörten zu den Top-Fünf-Ergebnissen. Weniger auf dem Schirm haben Eltern offenbar die Gefahr durch Smartphones. Bereits 17 Prozent der Grundschüler und 86 Prozent der Schüler weiterführender Schulen haben ein Smartphone dabei. Laut Aussage der Eltern waren 22 Prozent ihrer Kinder dadurch auf dem Schulweg schon einmal abgelenkt.
In Nordrhein-Westfalen sind 71 Prozent der befragten Eltern mit dem Vorhandensein von Fußwegen zufrieden. Die Möglichkeiten, sicher die Straße zu überqueren, bewertete noch etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) mit der Note sehr gut oder gut. Schlechter beurteilt wurden die Radwege. Mit der Beleuchtung und dem Zustand der Wege sind nur gut 40 Prozent wirklich zufrieden. 64 Prozent der Eltern sehen Probleme mit Sichtbehinderungen durch parkende Autos. Für das Vorhandensein von Radwegen gaben lediglich 33 Prozent der Eltern die Note sehr gut oder gut.
Eltern klagen über volle Schulbusse
Wird der Schulweg mit dem Schulbus zurückgelegt, klagen Eltern am häufigsten über zu volle Fahrzeuge. 18 Prozent vergaben die Note fünf oder sechs. Bei regelmäßig überfüllten Bussen empfiehlt der ADAC in NRW den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge und bedarfsorientierte Busangebote. Auch Kooperationen mit privaten Reisebusunternehmen können eine Option sein. Niemals sollten im Bus mehr Kinder befördert werden als Sitz- und Stehplätze zugelassen sind. Noch kritischer sehen Eltern die Auslastung des ÖPNV. Nur 24 Prozent sind hier wirklich zufrieden (Note sehr gut oder gut). Außerdem bemängeln Eltern das Verhalten der Schüler an der Haltestelle (Schubsen, Streit) und den Fahrplan am Mittag/Nachmittag.
Neuen Ideen für mehr Schulwegsicherheit stehen Eltern in NRW grundsätzlich positiv gegenüber. Sogenannte „Notinseln“ halten 69 Prozent für (sehr) nützlich. Hier signalisieren Geschäfte durch das „Notinsel-Zeichen“ an der Tür, dass sie Kindern Zuflucht bieten, wenn diese Angst verspüren (z.B. vor Fremden oder Mitschülern) oder ihnen etwas passiert ist. Neben der konkreten Anlaufstelle haben „Notinseln“ vor allem auch eine wichtige vorbeugende Funktion. Hol- und Bringzonen (Elternhaltestellen) bewerten 62 Prozent der befragten Eltern als (sehr) nützlich, bei Schulstraßen sind es 55 Prozent. Hier werden ausgewählte Straßen vor der Schule an Unterrichtstagen unmittelbar vor Schulbeginn oder Schulende kurzzeitig für Autos gesperrt. Ein solches Pilotprojekt gibt es zum Beispiel in Köln.
ADAC Empfehlungen für Kommunen:
- Autofahrer mit entsprechenden Aktionen, wie z.B. Bannern für den Schulbeginn sensibilisieren
- In Zusammenarbeit mit Schulen und unter Einbeziehung von Eltern und Polizei Schulwegpläne erstellen und wo möglich und nötig „Elternhaltestellen“ einrichten
- Verkehrsinfrastruktur nicht nur rund um Schulen so sicher wie möglich gestalten, das heißt:
o Sichere Möglichkeiten zum Überqueren der Straßen schaffen
o Gute Beleuchtung von Wegen und Kreuzungen
o Schaffung und Bewahrung guter Sichtverhältnisse an Kreuzungen
o Ausreichend breite, sichere und durchgängige Fuß- und Radwege
o Getrennte Verkehrsflächen für Fußgänger und Radfahrer schaffen
o Sicher angelegte Schulbus- und ÖPNV-Haltestellen
o Unfallschwerpunkte identifizieren sowie baulich und durch Aufklärung entschärfen
ADAC Empfehlungen für Schulen:
- Lehrmaterial und Angebote für die Verkehrs- und Moblilitätsbildung nutzen (z.B. von den Kultusministerien und externen Verbänden)
- Schulwegpläne in Kooperation mit Kommunen, Polizei und Eltern erstellen bzw. aktuell halten
- Wo nötig Elternhaltestellen einrichten, um das Verkehrsaufkommen vor der Schule zu reduzieren und den Kindern die Möglichkeit geben, noch ein Stück des Weges zu Fuß zu gehen. Die ADAC Regionalclubs beraten, koordinieren und unterstützen dabei, u.a. mit entsprechenden Schildern (Infos mit Checkliste und Leitfaden zur Einrichtung unter: www.adac.de/elterntaxi)
- Lehr- und Aufsichtskräfte im Bereich von Schulbushaltestellen bereitstellen, auch wenn diese etwas außerhalb des Schulgeländes liegen
ADAC Empfehlungen für Autofahrer:
- Gerade zu Beginn des neuen Schuljahres besonders aufmerksam fahren und bremsbereit sein
- Mit Fehlverhalten der Kinder rechnen, da diese verschiedene Verkehrssituationen und Geschwindigkeiten noch nicht so gut einschätzen können
ADAC Tipps für Eltern:
- Schulwegpläne zur Planung des Schulwegs nutzen, um den sichersten Weg zu finden und diesen mit Schulanfängern ausgiebig üben
- Kinder für den Schulweg mit heller, auffälliger Kleidung mit Reflektoren ausstatten
- Kinder vor der Fahrradprüfung mit dem Fahrrad zur Schule begleiten, sofern dies in einem sicheren Rahmen möglich ist
- Kinder erst nach der schulischen Fahrradprüfung alleine mit dem Rad zur Schule fahren lassen und darauf achten, dass sie immer mit Helm und verkehrssicherem Fahrrad unterwegs sind – gerade auch beim Besuch von weiterführenden Schulen
- Laufbus bzw. „Walking-Bus“ einrichten, damit Kinder gemeinsam zur Schule gehen können; Infos unter: Der Laufbus | Verkehrshelden
- Schulwegsicherheit aktiv unterstützen als Schülerlotse und Schulwegbegleiter
- Beim Fahren der Kinder zur Schule die Kinder in einigem Abstand zur Schule an einem sicheren Ort aussteigen lassen (z.B. Elternhaltestelle, wenn vorhanden)
Hintergrund: Unfälle mit Kindern bis 15 Jahre ereignen sich im Straßenverkehr am häufigsten morgens zwischen 7 und 8 Uhr sowie mittags ab 13 Uhr. Auch wenn nicht alle dieser Unfälle auf dem Schulweg passieren, ist Schulwegsicherheit seit Jahrzehnten ein großes und für Eltern angstbesetztes Thema. Ein kontinuierlicher Abwärtstrend bei der Zahl von verunglückten Kindern im Straßenverkehr ist bei rund 28.000 Fällen bundesweit pro Jahr in den letzten zehn Jahren (mit Ausnahme der Corona-Jahre) nicht zu erkennen. Der ADAC hat Eltern von Schulkindern deshalb gefragt, woran es ihrer Erfahrung nach bei der Verkehrssicherheit hakt und was man besser machen könnte.
Methodik: Der ADAC hat für die Umfrage im Zeitraum vom 20. April bis zum 8. Mai 2023 bundesweit 3395 Eltern von schulpflichtigen Kindern im Alter von fünf bis 15 Jahren befragt. In Nordrhein-Westfalen wurden über ein Online-Panel 466 Interviews geführt. Eltern von Grundschulkindern waren mit 38 Prozent am häufigsten vertreten. Die Stichprobe wurde repräsentativ nach Alter und Geschlecht ausgesteuert.
Gefragt wurde zum Beispiel, welches Verkehrsmittel die Kinder für den Weg zur Schule nutzen, wie häufig die Eltern den Nachwuchs mit dem Auto zum Unterricht bringen und wie gefährlich der Schulweg eingeschätzt wird. Der ADAC wollte zudem wissen, welche Sorgen sich Eltern in Bezug auf den Schulweg machen, worüber die Kinder klagen und wie Eltern bestimmte Ideen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beurteilen.
Die bundesweiten Ergebnisse, weitere Informationen zur ADAC Umfrage und alle ADAC Angebote für einen sicheren Schulweg gibt es unter https://www.adac.de/verkehr/verkehrssicherheit/kindersicherheit/schulweg.
Ein O-Ton-Paket sowie Grafiken (Quelle ADAC e.V.) finden Sie zum Download unter https://cloud.adac-nrh.de/s/4FXcKcRCFi3P8jK.
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