Ladeinfrastruktur entlang von Autobahnen: NRW-Rastanlagen fallen durch
Der ADAC hat die Ladeinfrastruktur an 50 Rastanlagen und Autohöfen entlang von deutschen Autobahnen untersucht und vor allem den Rastanlagen ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.

Zu wenige Ladepunkte, zu langsames Laden, defekte Säulen, intransparente Kosten: Der ADAC hat die Ladeinfrastruktur an 50 Rastanlagen und Autohöfen entlang von deutschen Autobahnen untersucht und vor allem den Rastanlagen ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Mehr als 70 Prozent der 25 Rastanlagen – drei davon in Nordrhein-Westfalen – und knapp ein Drittel der 25 Autohöfe fielen wegen erheblicher Mängel im Test durch.
Die Gründe für die schlechte Bewertung des ADAC: Die meisten Rastanlagen und einige Autohöfe verfügen über zu wenige Schnelladesäulen und vor allem zu wenige Ladepunkte mit Leistungen von 150 kW oder mehr. An knapp einem Drittel dieser Standorte war dann auch noch mindestens ein Ladepunkt defekt. Gleichzeitig werden E-Autofahrern die Kosten nach dem Ladevorgang oft nicht angezeigt. Ein Pausenumfeld mit Komfort war zudem vielerorts Fehlanzeige. Das Ergebnis: Nur 13 Standorte erhielten die Note „gut“ (alles Autohöfe), 11 weitere wurden mit „ausreichend“ bewertet, die übrigen 26 (davon 18 Rastanlagen und 8 Autohöfe) kamen nicht über die Noten „mangelhaft“ bis „sehr mangelhaft“ hinaus.
„Die Ergebnisse der Untersuchung sind nicht hinnehmbar“, sagt Prof. Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC in NRW. „Wer sein E-Auto an der Autobahn lädt, muss sich zu oft noch mit langen Ladezeiten, mangelnder Kostentransparenz und wenig Komfort abfinden. Wir fordern vor allem deutlich mehr und leistungsstärkere Ladepunkte entlang der Autobahnen.“
In Nordrhein-Westfalen hat der ADAC die Ladeinfrastruktur an drei Rastanlagen untersucht: Kucksiepen bei Wuppertal an der A1, Hösel Ost bei Ratingen an der A3 und Peppenhoven Ost an der A61 südwestlich von Bonn. Alle drei Standorte erhielten die Note „sehr mangelhaft“. An keiner der Anlagen gibt es Superschnellladesäulen mit 150 kW oder mehr. An der Rastanlage Peppenhoven Ost gab es immerhin eine 120-kW-Ladesäule, was nach Ansicht des ADAC aber keine zeitgemäße Ladegeschwindigkeit für Autofahrer ermöglicht. An den Rastanlagen Kucksiepen und Hösel Ost war das Laden sogar nur mit 50 kW möglich. „Hier dauert ein durchschnittlicher Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent etwa 45 bis 60 Minuten, so lange will doch kein Autofahrer warten“, kritisiert Suthold. „Mindeststandard sollten Ladepunkte sein, die selbst im Splitting, also wenn zwei Autos an einer Säule laden, noch mindestens 150 kW abgeben, damit sich das Laden im Schnitt auf 20 bis 30 Minuten verkürzt.“
Das Problem: Der Ausbau von Schnelladestationen auf Autobahnrastanlagen verzögert sich aufgrund eines andauernden Rechtsstreits. Die vielen gedrosselten 50 kW-Säulen auf Rastanlagen sind Folge einer langjährigen Klage, die den weiteren Ausbau blockiert. Zwischenzeitlich wurden einige dieser Ladesäulen von den Betreibern, im Falle der NRW-Rastanlagen dem Energiekonzern E.ON, auf 100 kW geöffnet, immer noch zu wenig für das Laden entlang von Autobahnen. Hintergrund der juristischen Auseinandersetzung ist ein vor Jahren von der Autobahn GmbH an Tank & Rast vergebener Auftrag zum Aufbau von Schnellladern an Rastanlagen. Die Fastned Deutschland GmbH hatte daraufhin geklagt, da kein förmliches Vergabeverfahren eingeleitet wurde. In der Folge wurde der Ausbau von Ladesäulen an Autobahnrastanlagen vorläufig eingefroren.
Im ADAC Test boten immerhin 31 der 50 untersuchten Orte Ultraschnell-Ladesäulen mit 300 kW an. Von den 36 Anlagen mit Ladepunkten mit mindestens 150 kW Leistung gab es aber nur bei einem Viertel ein Angebot von zehn Ladepunkten oder mehr. 42 Prozent der Anlagen hatten nur vier oder weniger Ladepunkte, an jedem dritten Standort waren Ladepunkte defekt. „Für den weiterwachsenden Bedarf an Lademöglichkeiten sollten nach Ansicht des ADAC zehn Ladenpunkte oder mehr standardmäßig vorhanden sein“, fordert Elektromobilitäts-Experte Suthold.
Im Vergleich zwischen Autohöfen und Rastanlagen fanden die Tester des ADAC an Autohöfen ein deutlich besseres Angebot an Lademöglichkeiten vor: Drei Viertel der Autohöfe waren mit Ultraschnell-Ladesäulen ausgestattet, oftmals mit einer Leistung von 300 kW, die aufgrund der laufenden Klage gegen die Autobahn GmbH an den Rastanlagen häufig fehlt. Auch die Anzahl der Säulen und daraus resultierend auch der Ladepunkte war am Autohof meist größer als an der Rastanlage.
Das grundsätzliche Problem undurchsichtiger Bezahlmodalitäten gibt es auch an Ladesäulen auf Autohöfen und Rastanlagen: Lediglich an jedem zweiten Standort, an dem mit 150 kW oder mehr geladen werden kann (36 der 50 Rastanlagen und Autohöfe), konnten Autofahrer an einem Kartenterminal bezahlen. Nur an 16 der 36 Anlagen wurde nach dem Ladevorgang der Endpreis angezeigt. „Im Supermarkt oder an der Tankstelle wäre es undenkbar, an der Kasse nicht zu erfahren, was man bezahlen muss. An der Ladesäule ist das bittere Realität“, sagt Roman Suthold. „Auch die Bezahlmöglichkeiten sollten durch Kartenterminals verbraucherfreundlich gestaltet werden.“
Beim Komfort rund um die Ladeanlagen stellte der ADAC ebenfalls Mängel fest: Keine der getesteten Lademöglichkeiten war überdacht, wie Autofahrer es von Tankstellen gewohnt sind. In NRW waren zwei der drei Standorte schlecht beleuchtet oder boten nicht ausreichend Picknickgarnituren zum Verweilen, während das E-Auto lädt. Für Autofahrer mit Anhänger oder Camper war es bundesweit nur bei zwei der getesteten Anlagen möglich, dass Auto zu laden, ohne das Gespann zu entkoppeln.
Das fordert der ADAC:
1. Technische Mindeststandards für Ladeleistung und Kapazität
- Ladepunkte entlang von Autobahnen sollten mindestens 150 kW Ladeleistung im Splittingbetrieb bieten
- Ladeparks sollten mindestens 10 Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 150 kW oder mehr aufweisen
- 50-kW-Säulen gelten als nicht mehr zeitgemäß für das Laden an Autobahnen und sollten zeitnah durch Ladepunkte mit mindestens 150 kW ersetzt werden
2. Verbraucherfreundliche Bezahlmöglichkeiten
- Kartenzahlung (Debit/Kreditkarte) sollte an allen DC-Ladesäulen (Schnelllader) verpflichtend möglich sein. Die Nachrüstung von älteren Ladepunkten mit Kartenterminals sollte im Sinne der Nutzungs- und Verbraucherfreundlichkeit so zeitnah wie möglich erfolgen, nicht erst bis Ablauf der Nachrüstpflicht Ende 2026
- Preise müssen vor und nach dem Ladevorgang klar an der Säule angezeigt werden – Nutzer müssen wissen, welche Preisbestandteile enthalten sind. Ad-hoc-Laden darf (dem Grunde nach) nicht teurer sein als vertragsbasiertes Laden. Unangemessene Preisaufschläge für ad-hoc-Laden schaden der Elektromobilität
3. Komfort und Zugänglichkeit verbessern
- Überdachung von Ladeplätzen sollte analog zu Tankstellen Standard werden
- Laden mit Anhänger muss – zumindest an einem Teil der Ladepunkte – ohne Abkoppeln möglich sein (z. B. Längsparker) und die Ladeplätze für Gespanne gekennzeichnet werden
- Beleuchtung, Sitzgelegenheiten und Dienstleistungen (z. B. Luftdruckprüfer) sollten an Ladeplätzen verfügbar sein
4. Transparenz und Wettbewerb stärken
- Einführung einer Markttransparenzstelle für Ladestrompreise, analog zu Kraftstoffen
- Gewährleistung von verschiedenen Anbietern für Schnellladepunkte auf bewirtschafteten Rastanlagen zur Vermeidung monopolartiger Strukturen
Methodik: Der ADAC hat die Ladebedingungen an den 15 längsten Autobahnen auf Infrastruktur und Komfort untersucht. Insgesamt wurden 50 Standorte getestet, darunter jeweils 25 Rastanlagen und Autohöfe. Ziel war es, die Alltagstauglichkeit der Ladeangebote für Reisende mit Elektrofahrzeugen realitätsnah zu bewerten. Zwei Drittel der E-Autofahrer und 85 Prozent der E-Langstreckenfahrer laden ihr Fahrzeug laut einer ADAC Umfrage (März 2025) gelegentlich bzw. üblicherweise entlang der Autobahn.
Getestet wurde nach zwei Kategorien: „Ladeinfrastruktur“ (75 % Gewichtung) und „Komfortelemente“ (25 %). Im Mittelpunkt standen das Vorhandensein von Ladesäulen, die Ladeleistung sowie die Anzahl und Funktionstüchtigkeit der Ladepunkte. Ein weiterer Fokus lag auf dem Bezahlvorgang: Seit Einführung der EU-Verordnung AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) im April 2024 müssen u.a. DC-Schnelllader ab 50 kW mit einem Kartenleser oder einer kontaktlosen Bezahlmöglichkeit ausgestattet sein. Bereits installierte Ladesäulen stehen noch unter Bestandsschutz, müssen jedoch bis Ende 2026 nachgerüstet werden. Die Tester legten ihr Augenmerk daher auf die Direktbezahlung ohne Kundenkarte oder den Umweg über einen QR-Code. Bezahlt wurde ausschließlich mit Kreditkarte. Auch die direkte Umgebung der Ladeinfrastruktur wurde bewertet: Das Vorhandensein von Toiletten, Gastronomie, Alternativen für Selbstversorger oder auch einer Überdachung der Ladesäulen. Das Gesamtergebnis drückt sich in fünf Notenschritten aus: „sehr gut“, „gut“, „ausreichend“, „mangelhaft“ und „sehr mangelhaft“.
Weitere Informationen und Fakten zum ADAC Test „Ladeinfrastruktur entlang von Autobahnen“ gibt es ab dem 4. November unter www.adac.de/ladeinfrastruktur.
Ein O-Ton-Paket (Audio), Ergebnisgrafiken und Fotos (Quelle: ADAC e.V.) zur redaktionellen Verwendung finden Sie hier: https://cloud.adac-nrh.de/s/Sn8RZ4iefKPmfy5
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