Enormes Sicherheitsrisiko: Fehlende Lkw-Stellplätze
ADAC überprüft 96 Anlagen an deutschen Autobahnen | An fast jeder zweiten Anlage standen Lkw im Ein- oder Ausfahrtsbereich | In Nordbaden vier Anlagen untersucht
Karlsruhe. Der ADAC hat erstmals bundesweit untersucht, wie groß das Problem fehlender Lkw-Stellplätze entlang der deutschen Autobahnen ist und wie stark die Verkehrssicherheit dadurch eingeschränkt wird. Dafür hat der Club die alltägliche Parksituation an insgesamt 96 Anlagen überprüft. Im Bereich des ADAC Nordbaden e.V. besuchten die Tester zwei Rastanlagen und zwei unbewirtschaftete Parkplätze an den Autobahnen A5, A6 und A8. Bei der Zählung der falsch und gefährlich abgestellten Lkw hat sich in Zahlen bestätigt, was Autofahrende täglich erleben, wenn sie spät abends oder nachts an Rastplätzen von der Autobahn abfahren wollen: katastrophale Zustände, teils hochriskant abgestellte Lkw im Einfahrtsbereich.
Das Ergebnis bundesweit: An fast jeder zweiten Rastanlage waren Lastwagen im hochsensiblen Ein- und Ausfahrtbereich oder auf den Seitenstreifen der Autobahn abgestellt. Auf 86 Rastanlagen standen Lkw im absoluten Halteverbot oder auf nicht für sie freigegebenen Parkflächen. Zudem war das Parken außerhalb markierter Flächen die Regel. Nur an einer einzigen Anlage gab es keine Falschparker (Lüneburger Heide West, A7, Niedersachsen). Zwei der überprüften Anlagen waren derart zugeparkt, dass sie nicht ausgezählt werden konnten, weil die Tester dort selbst nicht parken konnten.
Unterschieden wurde zwischen drei verschiedenen Parkverstößen jeweils nach dem Gefährlichkeitsgrad: Lkw, die außerhalb markierter Parkflächen abgestellt waren, beispielsweise in der Fahrgasse zwischen den Lkw-Parkflächen (an 92 von 96 Anlagen). Lkw, die auf nicht für sie freigegebenen Flächen oder im Haltverbot parkten, beispielsweise im Pkw-Bereich (86 von 96 Anlagen) und Lkw, die außerhalb der Rastanlage, in den Ein- und Ausfahrtspuren oder auf dem Seitenstreifen abgestellt wurden. Das war an 46 von 96 Anlagen der Fall.
Das Ergebnis in Nordbaden: Allein an den vier Anlagen in Nordbaden haben insgesamt 47 Lkw außerhalb von markierten Parkflächen, z.B. der Fahrgasse zwischen den Lkw Stellplätzen, geparkt. 73 Fahrzeuge standen auf nicht zugelassenen Parkflächen, also 2/4 dem Bereich für PKW, Bus, Wohnmobil oder im absoluten Halteverbot. Vier Fahrzeuge parkten hochriskant außerhalb der Rastanlage im Ein- oder Ausfahrtsbereich oder auf dem Seitenstreifen. Thomas Hätty, Leiter Verkehr und Technik beim ADAC Nordbaden e.V., kritisiert die Versäumnisse der vergangenen Jahre: „Überall sind die Rastanlagen verstopft, das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt und hat sich zunehmend verschärft. Es wurde zu wenig gebaut, es gibt zu wenig intelligente Lkw-Parkleitsysteme und zu wenig Personal für konsequentere Polizeikontrollen!“
Auf der Rastanlage Bruchsal West an der A5 in Richtung Süden, die 53 Stellplätze für Lkw bereithält, standen 13 Fahrzeuge in den Fahrgassen, 30 Fahrzeuge im Halteverbot oder im für Lkw nicht zugelassenen Bereich, zwei standen hochgefährlich im Ein- und Ausfahrtsbereich der Rastanlage. Ein ähnliches Bild fanden die Tester auf der Rastanlage Hockenheim West an der A6 mit 16 falsch abgestellten Lkw und 24 Fahrzeugen in nicht zugelassenen Bereichen. Die Ein- und Ausfahrt war hier immerhin frei. Auf dem unbewirtschafteten Rastplatz Kämpfelbach Süd an der A8 drängten sich 30 falsch abgestellte Lkw neben den Parkflächen oder auf PKW-Stellplätzen und im Halteverbot. An der A6 fanden die Tester beim Rastplatz Weißer Stock nahe St. Leon-Rot drei Fahrzeuge außerhalb der markierten Parkflächen, vier auf nicht zugelassenen Flächen wie Halteverbot oder PKW-Flächen und zwei standen riskant in der Einfahrt und auf dem Seitenstreifen außerhalb des Rastplatzes.
Die Situation in Europa: Deutschland ist das größte Transitland innerhalb der Europäischen Union mit dem dichtesten Fernstraßennetz Europas. Nie zuvor nutzten mehr Lkw diese Routen als im Jahr 2021. Laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), fehlen entlang der Autobahnen mehr als 20.000 Lkw-Stellplätze, davon 3.000 in Baden-Württemberg. Von fehlenden Parkplätzen für Lkw berichteten auch die Partnerclubs des ADAC in Österreich, Dänemark und der Schweiz. Italien kennt dieses Problem dagegen offenbar nicht. Österreich und Italien bekämpfen das Falschparken mit Videoüberwachung an den Rastanlagen und drakonischen Bußgeldern von teilweise mehr als 1000 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland zahlen Lkw-Fahrer für Parken im absoluten Halteverbot im besten Fall nur 35 Euro. Bei längerem Falschparken oder gar Halten auf dem Standstreifen der Autobahn wird es aber deutlich teurer. Punkte in Flensburg können dazukommen.
Thomas Hätty hat Verständnis für die Situation der Lkw-Fahrer, denn die Suche nach einer Stellfläche zur Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten setze die Fahrer unter Druck. „Natürlich dürfen Lkw-Fahrer niemals in den Ein- und Ausfahrten von Rastanlagen parken. Hier passieren immer wieder schlimme Unfälle. Warum machen 3/4 manche Fahrer das trotzdem? Dahinter steckt oft die pure Verzweiflung, weil einfach kein Parkplatz gefunden wurde“, mahnt der ADAC Experte. Infolge der Parkplatznot stellen zahlreiche Fahrer ihre Fahrzeuge dann unerlaubt in hochriskanten Bereichen ab, um so die zulässige Lenkzeit nicht zu überschreiten – mit gefährlichen Konsequenzen für alle Verkehrsteilnehmer. Den Autofahrenden rät der ADAC, insbesondere bei Dunkelheit mit großer Vorsicht und langsam auf Rastanlagen ein- und auszufahren und die Lkw Parkflächen freizuhalten.
Wie könnte jedoch die Lösung aussehen? Geht es nach Thomas Hätty, müssten längst mehr Rastplätze mit intelligenten, digitalen Parksystemen ausgestattet werden. So könnten kurzfristig ohne zusätzlichen Flächenverbrauch mehr Lkw-Parkflächen entstehen. Auch private Firmengelände in Autobahnnähe, zum Beispiel von Speditionen, sollten stärker für die Nutzung als Lkw-Stellplätze in Betracht gezogen werden. Weitere Lösungsansätze sieht der ADAC im Ausbau von Lkw-Parkleitsystemen, die den Fahrern in Echtzeit Informationen über freie Parkplätze liefern, sowie einer stärkeren Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn und Binnenschifffahrt. „Wollen wir die Zahl der schweren Lkw-Unfälle reduzieren, die häufig auf Übermüdung der Fahrer zurückzuführen sind, muss die Politik jetzt dringend handeln“ mahnt Hätty. Die vom Bund bereitgestellten Mittel zum Ausbau der Stellplatzkapazitäten reichten dafür nicht aus. Im Zeitraum von 2021 bis 2025 sollen insgesamt 90 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um 4.000 zusätzliche Lkw-Stellplätze im Drei-Kilometer-Radius von Autobahn Anschlussstellen zu schaffen. Zu wenig, bemängelt Hätty angesichts der amtlichen Prognosen, dass das Lkw-Aufkommen in den kommenden Jahren weiter steigen wird.
Mehr Informationen zur ADAC Erhebung und die Einzelergebnisse aller Rastplätze sind auf www.adac.de nachzulesen.
Methodik der Untersuchung:
Alle überprüften 96 Objekte – zur Hälfte Raststätten, zur Hälfte unbewirtschaftete Rastplätze – liegen an den Hauptschwerlastverkehrsrouten A1 bis A9 sowie der A14, A45 und A61. Nicht berücksichtigt wurden Objekte mit weniger als zehn Stellplätzen, solche ohne WC sowie Rastanlagen, die zum Erhebungszeitpunkt umgebaut wurden. Pro Standort gab es drei Zählungen an den stark frequentierten Wochentagen Dienstag oder Mittwoch: am 3. und 4. August 2022, jeweils um 22 Uhr, 23 Uhr und 0 Uhr. Die Parkverstöße wurden je nach Gefährdung der Verkehrsteilnehmenden in drei Kategorien farblich gekennzeichnet.
Anlagen in Nordbaden | gelb | grau | schwarz |
A5 Rastanlage Bruchsal West | 13 | 30 | 2 |
A6 Rastanlage Hockenheimring West | 16 | 24 | 0 |
A6 Rastplatz Weißer Stock Süd | 3 | 4 | 2 |
A8 Rastplatz Kämpfelbach Süd | 15 | 15 | 0 |
Gesamt Nordbaden | 47 | 73 | 4 |
Gesamt Baden-Württemberg | 136 | 142 | 8 |
Gelb: Parken außerhalb von markierten Parkflächen (z.B. Fahrgasse zwischen den Lkw-Stellplätzen). Grau: Parken auf nicht zugelassenen Parkflächen, also dem Bereich für PKW, Bus, Wohnmobil oder im absoluten Halteverbot. Schwarz: Parken außerhalb der Rastanlage im Ein- oder Ausfahrtsbereich oder auf dem Seitenstreifen.
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