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Mittelrhein | 18.06.2025

ADAC Expertenreihe: Verkehr neu denken

120 Fachleute diskutieren am 18. Juni in Bingen über die Zukunft des innerörtlichen Verkehrs.

Unter dem Titel „Autoverkehr innerorts neu denken“ diskutierten am Mittwoch, 18. Juni auf Einladung der ADAC Regionalclubs Mittelrhein, Hessen-Thüringen, Saarland und Pfalz rund 120 Fachleute aus Verwaltung, Wissenschaft, Stadtplanung und Verbänden im NH Hotel Bingen. Ziel war es, Konzepte für eine ausgewogene, lebenswerte Mobilität in Städten und Gemeinden zu entwickeln.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Petra Dick-Walther, Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium. In ihrem Grußwort machte sie deutlich, dass die Mobilitätswende nicht gegen das Auto gedacht werden dürfe, sondern auf ein intelligentes Miteinander aller Verkehrsformen ziele. Rheinland-Pfalz investiere gezielt in Radschnellwege, digitales Verkehrsmanagement und modernes Parkraummanagement, um Innenstädte lebenswerter zu machen. Gerade im ländlichen Raum bleibe das Auto unverzichtbar – entscheidend sei, Angebote statt Verbote zu schaffen. Zudem hob sie hervor, wie wichtig schlanke Verfahren und die enge Zusammenarbeit mit Kommunen für eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur seien.

Mobilität mit Realitätssinn gestalten

In ihrer Keynote machte Victoria Ditzel, Vorstandsmitglied Verkehr, Umwelt und Technik des ADAC Hessen-Thüringen, deutlich: Die Zukunft der Mobilität müsse realitätsnah und dialogorientiert gedacht werden. Sie stellte fest, dass der Pkw nach wie vor zentrale Bedeutung für viele Menschen habe, insbesondere für Pendler, Familien, ältere Menschen oder Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Gerade in ländlichen Regionen sei das Auto weiterhin der entscheidende und nicht wegzudenkende Baustein zur Sicherung der individuellen Mobilität.

Gleichzeitig verwies sie auf die ökologischen Herausforderungen des motorisierten Individualverkehrs. Verbesserungen bei Luftqualität und Lärmschutz seien durch technologische Entwicklungen, wie Elektrofahrzeuge und moderne Motorentechnik, bereits erreicht worden. Dennoch bleibe der hohe Flächenbedarf für den Autoverkehr ein stadtplanerisches Problem. Die Gestaltung lebenswerter Städte erfordere Veränderungen, doch diese müssten mit Rückhalt in der Bevölkerung erfolgen. „Nicht allein der Verzicht auf das Auto bringt Fortschritt, sondern die Verfügbarkeit attraktiver Alternativen. Es braucht eine überzeugende Planung, die individuelle Lebensrealitäten ernst nimmt für eine Mobilität mit Nachhaltigkeit, Erreichbarkeit und Akzeptanz, so Ditzel.

Fachimpulse aus Praxis & Wissenschaft

Im Anschluss gaben sechs Referenten Impulse zu aktuellen Entwicklungen im Verkehrsbereich:

Michael Pollok vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigte, wie Raumstruktur, Siedlungsentwicklung und Mobilitätsverhalten zusammenhängen. Kompakte, gemischte Quartiere könnten Wege verkürzen, während Digitalisierung und Verkehrsvernetzung neue Potenziale für nachhaltige Mobilität eröffnen.
Dr. Philine Gaffron von Agora Verkehrswende (Berlin) betonte die Bedeutung gesundheitlicher und ökologischer Leitplanken in der Verkehrsplanung. Sie machte deutlich, dass Mobilitätswende auch soziale Gerechtigkeit und Teilhabe umfassen müsse, insbesondere im Hinblick auf vulnerable Bevölkerungsgruppen.
Jörg Thiemann-Linden, Verkehrsplaner aus Bonn, präsentierte praktische Ansätze zur Umgestaltung von Straßenräumen. Anhand von Projekten aus Deutschland und Europa zeigte er, wie Städte mehr Raum für Rad- und Fußverkehr schaffen können, ohne den motorisierten Verkehr vollständig auszuschließen.
Christian Laberer vom ADAC e.V. (München) stellte aktuelle Umfragedaten zur Nutzung des Pkw vor. Diese verdeutlichten: Für viele Menschen – gerade außerhalb urbaner Zentren – bleibt das Auto das Rückgrat der Alltagsmobilität. Entsprechend müssten Planungen die Erreichbarkeit mit dem Pkw weiterhin berücksichtigen.
Stefan Haendschke (DEPOMM e.V., Berlin) stellte betriebliches Mobilitätsmanagement als effektives Instrument zur Veränderung des Mobilitätsverhaltens vor. Er plädierte dafür, Kommunen und Unternehmen als Akteure zu stärken, die durch konkrete Maßnahmen wie Jobtickets, Radförderung oder Anreizsysteme – langfristig zur Verkehrswende beitragen können.
Dr. Uli Wolter aus Oberursel gab Einblicke in die kommunale Verkehrsstrategie seiner Stadt. Dabei unterstrich er, wie wichtig es sei, den Autoverkehr nicht nur zu begrenzen, sondern durch gezielte Planung (Parkraumbewirtschaftung, Verkehrslenkung, dialogbasierte Kommunikation) aktiv in nachhaltige Gesamtkonzepte zu integrieren.

Fazit: Vernetzte Verkehrssysteme statt isolierte Maßnahmen

Ein zentrales Ergebnis der Veranstaltung war die Forderung, Verkehrs- und Mobilitätssysteme künftig größer und integrierter zu denken: weg von isolierten Einzelmaßnahmen, hin zu vernetzten, digital gesteuerten Gesamtlösungen.

Große statt kleine Lösungen: dazu gehören intelligente Verkehrsführung, einheitliche Parksysteme, eine leistungsfähige digitale Parkraum-Infrastruktur („Smart Parking“) sowie App-basierte Mobilitätsketten, die Pkw, ÖPNV, Fahrrad und Sharing nahtlos verbinden. Die Nutzung von Echtzeit-Verkehrsdaten und offenen Schnittstellen soll helfen, Staus zu reduzieren, Flächen effizienter zu nutzen und die Mobilitätsangebote besser aufeinander abzustimmen – für eine nachhaltige und zugleich bezahlbare Mobilität, die den Menschen im Alltag tatsächlich erreicht.

„Unsere Expertenreihe zeigt: Mobilität muss vernetzt, faktenbasiert und mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestaltet werden. Der Dialog zwischen Kommunen, Planenden und Verkehrsteilnehmenden ist dafür ein entscheidender Baustein“, betonte Dr.-Ing. Volker Kettenring, Vorstandsmitglied Verkehr und Technik des ADAC Pfalz.

 

 

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