ADAC Analyse: Berliner ÖPNV überzeugt trotz Schwächen bei Pünktlichkeit
In einer umfassenden Untersuchung hat der ADAC die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von S- und U-Bahnen in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Köln einheitlich analysiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Berliner Nahverkehr, organisiert durch den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), insgesamt gut unterwegs ist. Abstriche müssen Berlinerinnen und Berliner vor allem bei der Pünktlichkeit machen, während Zugausfälle eher selten vorkommen.
Zuverlässigkeit: Berliner U-Bahn besser als S-Bahn
Ein zentraler Aspekt der Untersuchung war die Zuverlässigkeit des Fahrplans, also der Anteil der tatsächlich durchgeführten Fahrten. Im Testmonat September konnte die Berliner U-Bahn mit einem Wert von 97 Prozent punkten. Anders sieht es bei der S-Bahn aus. Hier verkehrten 94 Prozent wie geplant. Die Zuverlässigkeit fällt damit zwar geringer aus als bei der U-Bahn, befindet sich aber immer noch auf einem hohen Niveau. Zum Vergleich: Spitzenreiter aufgrund sehr geringer Ausfälle ist Hamburg mit seinem Verkehrsverbund HVV (99 Prozent).
Großes Nahverkehrsnetz, große Herausforderungen
Berlin verfügt über eines der größten Nahverkehrsnetze in Deutschland. Es umfasst 16 S-Bahn- und 9 U-Bahn-Linien mit insgesamt 343 Haltestellen (S-Bahn: 168, U-Bahn: 175) sowie einer Streckenlänge von 495 Kilometern (S-Bahn: 340 km, U-Bahn: 155 km). Obwohl die Schieneninfrastruktur fast vollständig unabhängig ist, erschweren unter anderem Baustellen den reibungslosen Betrieb des komplexen Netzes. Verspätungen und Ausfälle sind für Fahrgäste vor allem im Berufsverkehr spürbar, zeigen sich allerdings nicht in der offiziellen Statistik der Deutschen Bahn (DB), die im ersten Halbjahr 2024 für die S-Bahn Berlin eine Pünktlichkeit von 97 Prozent ausweist. Wie sehr offizielle Angaben und subjektive Wahrnehmung auseinanderklaffen, zeigt sich bei einer strengeren Bewertung der Pünktlichkeit.
Pünktlichkeit: Strengere Maßstäbe zeigen Alltagsrealität Berliner Fahrgäste
Ein wesentlicher Punkt der ADAC Analyse ist die Definition von Pünktlichkeit. Während die Deutsche Bahn Züge – auch die des ÖPNV – mit einer Verspätung von bis zu 5:59 Minuten als pünktlich ausweist (Schwellenwert: 6 Minuten), setzt der ADAC in seiner Untersuchung strengere Schwellenwerte an und wertet Ausfälle konsequent als Verspätung.
Mit einem Schwellenwert von einer Minute und unter Einbezug der Ausfälle sinkt die Pünktlichkeitsquote erheblich. Bei der Berliner S-Bahn schafft es nur noch gut die Hälfte der Züge, die Kriterien zu erfüllen (53 Prozent). Bei der U-Bahn sind es 48 Prozent.
Besonders problematisch ist die Situation im Feierabendverkehr. Zwischen 16 und 19 Uhr nimmt die Pünktlichkeit bei S- und U-Bahn gleichermaßen ab. Im Gegensatz dazu verbessert sich die Pünktlichkeit im Wochenverlauf, wobei vor allem sonntags ein positiver Trend zu verzeichnen ist.
Großveranstaltungen als Belastungstest
Ein erfreuliches Ergebnis liefert die ADAC Analyse im Hinblick auf Berliner Großveranstaltungen. Trotz der Fußball-Europameisterschaft 2024, bei der Berlin Austragungsort mehrerer Spiele war, blieben die Pünktlichkeitswerte der S-Bahn stabil. Dies zeigt, dass die Berliner Verkehrsbetriebe gut auf außergewöhnliche Belastungen vorbereitet sind und die Infrastruktur zuverlässig funktioniert.
Transparenz als Schlüssel zur Verbesserung
Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) punktet durch eine transparente Datenbereitstellung. Über ein öffentlich zugängliches Dashboard werden Verspätungen ab einem selbst definierten Schwellenwert von vier Minuten ausgewiesen sowie zusätzlich ein Wert für eine Minute – letzterer ist aus Verbraucherschutzsicht vorbildlich. Ausgefallene Züge finden allerdings keinen Eingang in die Pünktlichkeitsauswertung, was die Darstellung etwas verzerrt. Dennoch zeigt sich Berlin in diesem Bereich deutlich verbraucherfreundlicher als andere Städte wie zum Beispiel der Kölner Zweckverband go.Rheinland, der seine Werte nur quartalsweise veröffentlicht oder München, wo die Pünktlichkeit von S-Bahnen mit dem DB-Schwellenwert von sechs Minuten berechnet wird.
Verlässlicher ÖPNV als Schlüssel zur Mobilitätswende
Die Ergebnisse der ADAC Analyse verdeutlichen, dass ein stabiler und zuverlässiger öffentlicher Nahverkehr essenziell für den Erfolg der Mobilitätswende ist. Wenn sich Fahrgäste nicht auf S- und U-Bahnen verlassen können, greifen sie vermehrt auf das Auto zurück – eine Entwicklung, die den Klimazielen entgegenwirkt und den Mobilitätswandel ausbremst.
Um das Vertrauen in den ÖPNV zu stärken, spricht sich der ADAC Berlin-Brandenburg für klare und einheitliche Pünktlichkeitsstandards aus:
- Realistische Pünktlichkeitskriterien: Fahrten ab drei Minuten Verspätung sollten nicht mehr als pünktlich eingestuft werden.
- Berücksichtigung von Ausfällen: Zugausfälle müssen verbindlich in die Pünktlichkeitsstatistik aufgenommen werden, um ein transparentes und ehrliches Bild zu zeichnen.
- Transparenz schaffen durch verbraucherfreundliche Dashboards mit Pünktlichkeits- und Zuverlässigkeitsdaten.
Datenerhebung
Mit der Datenerhebung und -analyse hat der ADAC das IT-Unternehmen Cognizant Mobility aus München beauftragt. Schwerpunkt der Untersuchung war der September 2024. Über die Datenschnittstelle des VBB sowie anderer Verkehrsverbünde wurden wochenlang hunderttausende ÖPNV-Echtzeitdaten erfasst und analysiert. Dabei wertete der ADAC auch ausgefallene Züge als verspätet, was ÖPNV-Betreiber in ihren offiziellen Zahlen in der Regel nicht tun. Aus diesem und weiteren Gründen können die ADAC Berechnungen von den offiziellen Zahlen abweichen.
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