ADAC wake-up call: Berlin droht noch mehr Stau durch marode Brücken
Regionalclub fordert koordinierte Planung sowie erhöhtes Tempo bei Sanierung und Ersatzneubau
Brücken sind für eine funktionierende Mobilität von entscheidender Bedeutung und die Achillesverse der Verkehrsinfrastruktur. Insgesamt 1.100 gibt es in Berlin – doppelt so viele wie in Venedig. Doch viele Berliner Brücken befinden sich in einem desolaten Zustand. Jede zehnte wurde bereits vor fünf Jahren als sanierungsbedürftig eingestuft. Viel passiert ist seitdem nicht.
„Berlin befindet sich in einem Sanierungsstau bei Brückenbaumaßnahmen. Gelingt es nicht, marode Brücken in den nächsten Jahren rechtzeitig zu sanieren oder durch neue Bauwerke zu ersetzen, droht der Hauptstadt als Folge von Brückensperrungen oder Nutzungseinschränkungen ein Verkehrsinfarkt,“ sagt Martin Koller, Vorstand für Verkehr im ADAC Berlin-Brandenburg anlässlich des heutigen ADAC wake-up calls.
Autofahrerinnen und Berufspendler müssten dann mit noch mehr Staus auf den ohnehin schon stark belasteten Straßen rechnen. Gerade im Berufsverkehr ist das Kapazitätslimit schnell erreicht. Laut ADAC Staubilanz standen im letzten Jahr Autofahrerinnen und Autofahrer allein auf dem Berliner Autobahnnetz mehr als 15.000 Stunden im Stau. Schon heute zeigen sich die Folgen von Einschränkungen oder Sperrungen von Brücken, wie bei der Mühlendammbrücke oder der Elsenbrücke. Sie führen zu täglichen Staus mit weiträumigem Ausweichverkehr. Neben erheblichen Zeitverlusten für Verkehrsteilnehmende, entstehen zudem höhere Emissionen, Lärm und Unfallrisiken.
Keine Zeit mehr verlieren
Mehr als 830 der rund 1.100 Berliner Brücken liegen in der Verantwortung des Landes Berlin. 27 Prozent davon wurden im Jahr 2018 als „schlecht“ eingestuft. An 8 Prozent der vom Senat verantworteten Brücken wird ab diesem Jahr zeitgleich gearbeitet. Betroffen sind vor allem Spannbetonbrücken aus den 60er und 70er Jahren. Materialermüdung durch Korrosion einerseits und hohe Belastung, insbesondere durch Lkw, andererseits, verkürzen den Lebenszyklus dieser Bauwerke dramatisch. Den ursprünglichen Bauplänen wurde ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen zugrunde gelegt. Die Konsequenzen machen sich seit Jahren bemerkbar.
So muss zum Beispiel die marode Mühlendammbrücke - mit mehr als 70.000 Kraftfahrzeugen täglich eine der am meisten genutzten Ost-West-Achsen Berlins - komplett erneuert werden. Seit Beginn der ersten Teilsperrung staut es sich hier tagtäglich. „Wir gehen nicht davon aus, dass die zukünftige Verkehrsleistung in Berlin signifikant abnehmen wird. Insbesondere im Güterverkehr ist eher mit einer Zunahme zu rechnen, solange Schienen- und Wasserwege nicht gestärkt werden. Bei Sanierung und Planung der Generationsbauwerke sollte daher die Leistungsfähigkeit mindestens erhalten bleiben - anders als es zum Beispiel der Entwurf für die Mühlendammbrücke vorsieht“, so Martin Koller.
Eine zukunftsfähige Planung sollte auch Anschlussmöglichkeiten mitdenken. Bei der Elsenbrücke könnte eine Verbindung zum 17. Bauabschnitt der A100 den Verkehr im Südosten der Stadt erheblich entlasten. Darüber hinaus sollten alle Verkehrsarten in Planungen einbezogen werden.
Mehr als 60 zeitgleiche Brückenbaumaßnahmen in Berlin
Damit Berlin kein Verkehrskollaps droht, muss weiter massiv in den Erhalt und die Erneuerung von Brücken investiert werden. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen aus Sicht des ADAC Regionalclubs dringend vereinfacht und beschleunigt werden ebenso wie die Sanierungsprozesse an sich. In Berlin wird ab diesem Jahr an mehr als 60 Brücken zeitgleich gearbeitet. Ab 2024 kommt unter anderem der Umbau des Dreiecks Funkturm mit weitreichenden verkehrlichen Einschnitten dazu. Ein unter den Bezirken abgestimmtes Baustellenmanagement ist daher unerlässlich, damit Ausweichverkehre und Staus kein Dauerzustand werden.
Auch digitale Leitsysteme könnten eine Möglichkeit sein, den Verkehr im Baustellenbereich und auf Umleitungsstrecken zu entspannen. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten zur Bauzeitverkürzung verstärkt genutzt werden, indem zum Beispiel dauerhaft im Schichtbetrieb gearbeitet wird, wenn Maßnahmen von einem hohen wirtschaftlichen Gesamtinteresse sind. Eine gute öffentliche Kommunikation vor und während der Baumaßnahme über die Medien und durch entsprechende Beschilderungen auf der Straße, sorgt für mehr Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmenden.
Um die Straßen für diejenigen zu entlasten, die dringend auf das Auto angewiesen sind, fordert der ADAC Berlin-Brandenburg eine schnellere Stärkung von Alternativen, wie den Ausbau von ÖPNV, P+R oder Sharingangeboten. Zudem rät der Regionalclub Verkehrsteilnehmenden vorsichtig und langsam in Baustellenabschnitte hineinzufahren, auf genügend Abstand zu achten und aufeinander Rücksicht zu nehmen, da Baustellen auch immer Unfallschwerpunkte sind.
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