ADAC Berlin-Brandenburg kritisiert temporäre Radwege
Blitzstudie des Regionalclubs belegt: wenig Radverkehr und kaum Überholvorgänge auf den betroffenen Strecken.
Im Schnellverfahren schafft Berlin derzeit provisorisch neue und breitere Radwege im Stadtgebiet und verteilt damit den Straßenraum neu. Diese Maßnahmen soll laut Senatorin Regine Günther dem Radverkehr in der Corona-Krise mehr Platz und Sicherheit einräumen. Der ADAC Berlin-Brandenburg vermutet jedoch einseitige politische Motive. „Der Senat nutzt eine Notsituation aus, um Partikularinteressen zu verfolgen. Das ist alles andere als sachgerecht“, sagt Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC Berlin-Brandenburg e.V. und fügt hinzu: „Der temporäre Rückgang des Pkw- und übrigens auch des Radverkehrs darf nicht dazu genutzt werden, dauerhafte Umverteilungen des Verkehrsraumes durchzusetzen, denn das würde außerhalb der aktuellen Sondersituation kaum Aussicht auf öffentliche Akzeptanz haben“.
Sechs solcher als temporär bezeichneten Radwege hat Friedrichshain-Kreuzberg seit Beginn der geltenden Kontakteinschränkungen bereits umgesetzt. Viele weitere Bezirke haben angekündigt, dem Beispiel zeitnah zu folgen. Doch wie temporär sind diese Umbauten, für die auch der Verlust von Fahrspuren oder Parkplätzen in Kauf genommen wird und erfüllen sie überhaupt ihren Zweck? Der ADAC Berlin-Brandenburg hat genauer hingeschaut: In einer kurzfristig angelegten Vor-Ort-Untersuchung registrierte der Club an drei Wochentagen (17.-21.4.) an den betroffenen Radwegen in der morgendlichen Rush Hour zwischen 7 und 9 Uhr ein minimales Radverkehrsaufkommen und kaum Überholvorgänge. Im Durchschnitt waren sieben Mal mehr Pkw als Radler unterwegs.
Ein Plus an Sicherheit für Radfahrer konnte der ADAC nicht feststellen. Im Gegenteil, die übereilte Umsetzung der Maßnahmen hat zum Teil sogar neue Gefahrensituationen geschaffen, insbesondere in Kreuzungsbereichen. Radfahrer müssen sich z.B. in der Gitschiner Straße vor abbiegenden Bussen in Acht nehmen. Die Umordnung von Parkplätzen in der Lichtenberger Straße erhöht die Gefahr von Dooring-Unfällen. Um die wenig verbleibenden Kfz-Fahrspuren nicht komplett zu blockieren, machten Lieferfahrzeuge auf dem Rad- oder Fußweg Halt.
"Wir erwarten deshalb ein klares Bekenntnis der Politik"
„Auch wenn der Pkw-Verkehr an den betroffenen Abschnitten aktuell noch fließt, bedeutet das nicht, dass dies auch nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen der Fall sein wird“, betont Volker Krane. Vielmehr sei dem ADAC Berlin-Brandenburg zufolge davon auszugehen, dass der Kfz-Verkehr mit den ersten Lockerungen der Maßnahmen nach und nach wieder auf sein früheres Maß ansteigen wird und damit auch die Kapazitätsengpässe auf der Straße. „Wir erwarten deshalb ein klares Bekenntnis der Politik, dass diese Radwege zurückgebaut werden, sobald der Pkw-Verkehr wieder zunimmt“, fordert der Verkehrsvorstand.
Statt ein beispielloses Sonderereignis zum Maßstab für die künftige Verkehrsentwicklung zu machen, wünscht sich der ADAC Berlin-Brandenburg ein Gesamtkonzept des Senats. So muss der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur zum Beispiel nicht über vielbefahrene Hauptverkehrsadern führen, sondern könnte auch über die Schaffung von Fahrradstraßen in die Nebenstraßen verlagert werden. Darüber hinaus sollte dem Club zufolge die Förderung und Unterstützung des ÖPNV nun mehr denn je in den Blick genommen werden, damit die öffentlichen Verkehrsmittel nicht als Verlierer aus der Corona-Krise gehen. In der jüngsten ADAC Umfrage zum Mobilitätsverhalten gaben knapp 20 Prozent der Befragten an, den ÖPNV nach Corona seltener nutzen zu wollen.
Dahingegen gaben mehr als zwei Drittel der befragten Autofahrer an, das Auto auch in Zukunft nach der Corona-Krise unverändert zu nutzen, 16 Prozent der Befragten sogar häufiger als zuvor. Für den ADAC Berlin-Brandenburg wenig überraschend, da der eigene Pkw zumindest unter hygienischen Gesichtspunkten für viele als das sicherste Verkehrsmittel erscheint.
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