ADAC Luftrettung: Weniger Rußpartikel durch Biokerosin
Erster Langzeitversuch mit Sustainable Aviation Fuel (SAF) im Realbetrieb / Ausstoß von ultrafeinen Partikeln um bis zu 44 Prozent reduziert / Leistung und Einsatzbereitschaft nicht eingeschränkt / Folgeprojekt zur weiteren Reduktion von ultrafeinen Partikeln und CO2 geplant
(ADAC Luftrettung gGmbH) Mehr Nachhaltigkeit wissenschaftlich belegt: Die gemeinnützige ADAC Luftrettung schließt das weltweit erste Langzeitprojekt mit Sustainable Aviation Fuel (SAF) im Luftrettungsbetrieb erfolgreich ab. Die wichtigsten Ergebnisse sind deutlich weniger ausgestoßene ultrafeine Partikel, umgangssprachlich Ruß sowie die uneingeschränkte Leistung und Einsatzbereitschaft der beiden mit SAF betankten Helikopter. Negative Auswirkungen auf Technik und Triebwerke der Maschinen waren während des gesamten rund dreijährigen Forschungsbetriebs nicht messbar. Das von der ADAC Luftrettung initiierte und finanzierte Forschungsprojekt wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), den Triebwerksherstellern Safran Helicopter Engines aus Frankreich und RTX’s Pratt & Whitney Canada sowie dem Hubschrauberhersteller Airbus Helicopters durchgeführt.
Die ADAC Rettungshubschrauber „Christoph Rheinland“ aus Köln und „Christoph Europa 1“ aus Aachen/Würselen flogen in Summe mehr als 1.800 Stunden zur Rettung von Menschenleben mit einem sogenannten SAF-Blend im Tank, womit ein Gemisch aus bis zu 38 Prozent SAF aus nachhaltigen Rohstoffen wie recycelten pflanzlichen Fetten und herkömmlichem Kerosin des Typs JET-A1 gemeint ist. Als sogenanntes Drop-In-Fuel kann SAF grundsätzlich mit herkömmlichem Kerosin gemischt werden.
Erkenntnisse für Projektverantwortliche und Forschende
Die Erkenntnisse für die Projektverantwortlichen und Forschenden: Wenn SAF-Blend statt reinen Kerosins verbrannt wird, sinken bei einer Leistung, wie sie typischerweise vor dem Start am Boden erbracht wird (Idle), die Emissionen ultrafeiner Partikel um 44 Prozent, bei einer Leistung wie beim Fliegen in Einsatzgeschwindigkeit (Cruise) um 33 Prozent. Zusätzlich sinkt der CO2-Ausstoß über den Lebenszyklus des Flugkraftstoffs von der Herstellung bis zur Verbrennung, weil die wiederverwendeten Fette und Öle CO2-neutral sind und die CO2-lastigen fossilen Bestandteile ersetzen.
Während bei den ultrafeinen Partikeln signifikante Unterschiede messbar waren, wurden bei den Verbrennungsgasen Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxid (NOx), einem Indikator für die reibungslose Funktion der Triebwerke, keine Veränderungen nachgewiesen. Parallel dazu untersuchten die Triebwerkshersteller regelmäßig ihre eigene Technik in den beiden Helikoptern vom Typ Airbus H145 („Christoph Rheinland“ mit Safran-Triebwerken) und Airbus H135 („Christoph Europa 1“ mit Pratt-&-Whitney-Triebwerken). Verglichen mit dem Verschleiß beim Verbrennen von herkömmlichem Kerosin konnten sie keine relevanten Unterschiede feststellen.
Frédéric Bruder, der Geschäftsführer der ADAC Luftrettung, betonte zum Abschluss des internationalen Langzeitprojektes die Vorreiterrolle der fliegenden Gelben Engel bei der Verwendung von Biokerosin und mit Blick auf den Klimawandel auch deren gesellschaftliche Verantwortung, bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt treibende Kraft zu sein. Er kündigte nach den vielversprechenden ersten Ergebnissen an: „Wir möchten Forschung und Weiterentwicklung auf diesem Gebiet noch vertiefen und den SAF-Anteil weiter erhöhen“. Langfristiges Ziel der ADAC Luftrettung sei es, die Beimischung auf bis zu 100 Prozent zu erhöhen und in der Folge auch den Einsatz von synthetischem E-Fuel, auch Power-to-Liquid-Kerosin (PtL) genannt, zu ermöglichen. PtL bezeichnet die Erzeugung flüssiger (Liquid) Brenn- oder Kraftstoffe mithilfe von elektrischer Energie (Power) aus erneuerbaren Quellen.
Historie des Pilotprojekts und Ausblick
Den Start des in dieser Form einmaligen Forschungsprojekts markierte der erste Flug eines Rettungshubschraubers, einer H145 der ADAC Luftrettung, mit 40-prozentiger SAF-Beimischung im Sommer 2021 in München. Im Dezember desselben Jahres startete die ADAC Luftrettung gemeinsam mit dem DLR, Safran Helicopter Engines und Airbus Helicopters ihre Untersuchungen zu den langfristigen Effekten von SAF des Flugkraftstoff-anbieters Air bp auf die Technik von Maschine und Triebwerken mit „Christoph Rheinland“. Für eine breitere wissenschaftliche Basis wurde in Kooperation mit RTX’s Pratt & Whitney von Dezember 2021 an zusätzlich „Christoph Europa 1“ mit SAF-Blend des Multi-Energie-Konzerns TotalEnergies betankt. Im Sommer 2025 soll auch er 1.000 Einsatzstunden absolviert haben. Die Projektbeteiligten erwarten sich vergleichbare Ergebnisse.
Statements der Projektpartner
Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR):
„Für die in dieser Form erste und bisher einmalige Messkampagne hatten wir unser mobiles DLR-Messlabor im Einsatz. Darin befinden sich spezielle Mess- und Analysegeräte. Diese sind geeignet, um ultrafeine Partikel bis zu einer Größe von sieben Nanometern zu untersuchen. Vor jeder Messkampagne erarbeiten wir ein individuelles Konzept und legen Aufbau, Position der Messsonde sowie die Dauer der Messungen fest. Nur so erhalten wir zuverlässige und vergleichbare Daten, beschreibt Forscher Tobias Grein vom Institut für Verbrennungstechnik des DLR, der das Projekt DLR-seitig betreut hat. Sein Fazit: „Diese Messungen waren sehr spannend und auch für unser Team etwas Besonderes, das alles ‚live‘ an einem Helikopter kurz vor dem Abheben zu machen.“
Safran Helicopter Engines:
Jean-François Sauer, EVP Programme bei Safran Helicopter Engines, kommentiert: „Diese Langzeituntersuchung des SAF-Einsatzes in einem H145-Hubschrauber mit unserem Arriel-Triebwerk ist ein wichtiger Meilenstein. Sie zeigt die Kompatibilität unserer Triebwerke mit SAF im Langzeitbetrieb und ermöglicht die Bewertung des ökologischen Nutzens, sowohl bezüglich der Reduktion von CO2 als auch von lokalen Schadstoffemissionen. Wir freuen uns, dass wir an diesem Experiment gemeinsam mit der ADAC Luftrettung, dem DLR und Airbus teilnehmen konnten. Safran Helicopter Engines setzt sich bereits seit mehreren Jahren für den großflächigen Einsatz von SAF in der Hubschrauberindustrie ein. Alle Safran-Hubschraubertriebwerke sind bereits für den Einsatz von bis zu 50 Prozent SAF qualifiziert. Der nächste kurzfristige Schritt ist die Qualifizierung von 100 Prozent Drop-In-SAF, also einem Treibstoff, mit dem aktuelle Triebwerke mit wenig oder ohne Modifikation betrieben werden können. Wir planen, dies bis 2025 zu erreichen.“
RTX’s Pratt & Whitney Canada:
„Die Initiative der ADAC Luftrettung zeigt effektiv die Bereitschaft und Anpassungsfähigkeit der aktuellen Flugzeuge und Triebwerke, mit SAF zu betrieben werden, und liefert greifbare Vorteile, ohne unsere hohen Standards in Bezug auf Leistung und Sicherheit zu beeinträchtigen“, sagte Nico Chabée, Vice President Marketing & Sales, Helicopters von Pratt & Whitney Canada. „Die PW206B-Turboshaft-Triebwerke, die die H135-Hubschrauber der ADAC Luftrettung antreiben, sind für SAF-Mischungen von bis zu 50 Prozent mit herkömmlichem Jet A/A1 Kerosin gemäß den ASTM International-Spezifikationen zertifiziert. Unser Engagement für die Förderung alternativer Kraftstoffe umfasst die Unterstützung von Kundeninitiativen und die Entwicklung zukünftiger Kraftstoffspezifikationen, um die Nutzung von bis zu 100 Prozent SAF zu ermöglichen.“
Airbus Helicopters in Deutschland:
„Unser klares Ziel bei Airbus ist es, Vorreiter für eine nachhaltige Luftfahrt zu sein. Dabei sehen wir den Einsatz von Sustainable Aviation Fuel als einen entscheidenden Hebel, um die Dekarbonisierungsziele der Luftfahrtindustrie zu erreichen. Die Zusammenarbeit zwischen Hubschrauberherstellern, Betreibern, Triebwerksherstellern, Forschungsinstituten und allen anderen beteiligten Akteuren, wie hier in diesem Projekt, ist unerlässlich und entscheidend, um sicherzustellen, dass wir unser gemeinsames Ziel erreichen, die Emissionen von Hubschraubern weiter zu reduzieren”, sagte Stefan Thomé, Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Helicopters in Deutschland.“
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