Mobilität 2022 – hohe Kosten, mangelnde Zuverlässigkeit und steigende Nachfrage
ADAC: Die Nachfrage steigt weiter, deshalb muss der Ausbau klimafreundlicher Alternativen schneller gehen
Für die Mobilität hat das Jahr 2022 erhebliche Herausforderungen bereitgehalten, die in das Jahr 2023 hineinwirken werden und den hohen Reformbedarf offenbaren. Das zeige sich insbesondere mit Blick auf Fortschritte beim Klimaschutz, auf die Bezahlbarkeit von Mobilität sowie hinsichtlich des Angebots. Dabei hätten sich die Rahmenbedingungen teilweise deutlich verschlechtert, so ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand, ADAC Technikpräsident Karsten Schulze und ADAC Tourismuspräsident Karlheinz Jungbeck in einer gemeinsamen Pressekonferenz am heutigen Donnerstag.
ADAC Verkehrspräsident Hillebrand zeigt, dass die Nachfrage nach Mobilität nach den Jahren der Pandemie wieder deutlich angezogen, den Stand von 2019 jedoch noch nicht wiedererlangt hat. Der ADAC rechnet damit, dass die Pkw-Verkehrsleistung spätestens 2024 wieder so hoch ist wie vor der Pandemie. Laut Hillebrand stieg der motorisierte Individualverkehr gegenüber dem Vorjahr um rund fünf Prozent – trotz hoher Kosten für Kraftstoffe.
Auch die Fahrgastzahlen im ÖPNV legten deutlich zu, blieben aber immer noch 21 Prozent unter den Nutzerzahlen von 2019. Das 9-Euro-Ticket im Sommer habe zahlreiche Menschen zusätzlich zur Nutzung des öffentlichen Angebots veranlasst, sei aber vielfach auch für zusätzliche und Freizeitfahrten genutzt worden, so der ADAC Verkehrspräsident.
Insgesamt zeige sich, dass Mobilität ein Grundbedürfnis der Menschen sei und wirtschaftliche sowie soziale Teilhabe sicherstelle. Vor diesem Hintergrund sei die Kostenentwicklung der vergangenen Monate besorgniserregend.
2022 wird als das teuerste Tankjahr aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Im Jahresdurchschnitt lagen die Preise für Super E10 2021 noch bei 1,522 Euro. Sie werden nach Einschätzung des ADAC im Durchschnitt dieses Jahres bei über 1,85 Euro liegen und damit fast 35 Cent über dem Vorjahr.
Beim Diesel ist die Situation trotz des Steuervorteils noch dramatischer: Im Jahresdurchschnitt lag der Dieselpreis 2021 bei 1,385 Euro. Diesel wird im Jahresdurchschnitt voraussichtlich mit 1,95 Euro nur knapp unter 2 Euro gekostet haben. Das treffe vor allem die Vielfahrer und Pendler, sagt Hillebrand.
Vor diesem Hintergrund fordert der ADAC, Menschen, die auf das Auto angewiesen sind und besonders von hohen Kosten betroffen sind, über eine höhere Entfernungspauschale zu entlasten, die bereits ab dem ersten Kilometer greift. Denn hier gehe es um unverzichtbare Arbeitswege, für die häufig mangels Alternative das Auto genutzt werde.
Mit Blick auf den gewünschten Hochlauf der E-Mobilität sieht der ADAC auch gestiegene Strompreise mit Besorgnis. Verbunden mit einem Abschmelzen der E-Autoförderung, langen Lieferzeiten und hohen Neuwagenpreisen führe das zu einer hohen Unsicherheit von Verbrauchern und gefährde den Antriebswechsel. Insofern sei die Strompreisbremse ein gutes Signal, so Hillebrand. Der ADAC fordert die Bundesregierung jedoch auf, den höheren Haushaltsverbrauch auch bei zukünftigen Käufern von E-Fahrzeuge zu berücksichtigen, da hier der Stromverbrauch erheblich ansteigen wird. Eine Gleichbehandlung mit neuen Wärmepumpen, deren Strombedarf laut Gesetzentwurf nachträglich angerechnet werden soll, sei dringend angeraten.
Als größte Herausforderung bezeichnete Hillebrand mangelnde Fortschritte beim Klimaschutz im Verkehr. Der ADAC rechnet damit, dass die CO2-Emissionen in 2022 erneut gestiegen sein werden. „Die Schaffung klimaneutraler Alternativen kommt zu langsam voran“, sagt Hillebrand. Kritisch sieht Hillebrand auch die fehlende Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerien: „Die Bundesregierung muss Klimaschutz im Verkehr endlich als Gemeinschaftsaufgabe begreifen, damit Maßnahmen zusammenpassen und gemeinsam wirken“. Konkret kritisiert Hillebrand die Pläne der Umweltministerin zur Abschaffung konventioneller Biokraftstoffe, die das Erreichen der Sektorvorgaben im Verkehr – in der Zuständigkeit des Bundesverkehrsministers – erheblich erschweren würden.
Für ADAC Technikpräsident Karsten Schulze werden alternative Kraftstoffe für die Erlangung der Klimaschutzziele entscheidend sein – zumal sich die Voraussetzungen für den Hochlauf der E-Mobilität eher verschlechtern. In diesem Jahr werden rund 400.000 E-Fahrzeuge neu zugelassen worden sein. Um das Ziel von 15 Millionen E-Pkw bis 2030 zu erreichen, müsste der Hochlauf viel dynamischer verlaufen, sagt Schulze.
Damit E-Mobilität in der Breite Realität werde, brauche es bezahlbare Fahrzeuge, so der ADAC Technikpräsident. Die Kostenentwicklung bei Neuwagenpreisen zeige aber in eine gegenteilige Richtung: Die ADAC Kostenauswertung zeigt, dass die Preise für alle Neuwagen insbesondere im ersten Halbjahr stark gestiegen sind. Davon waren besonders Kleinst- und Kleinwagen betroffen: In der Fünf-Jahres-Betrachtung stiegen die Preise für die Oberklasse um 11,4 Prozent – für die Kleinst- und Kleinwagen dagegen um 47,2 bzw. 31,7 Prozent. Dafür seien hauptsächlich die Einstellung günstiger Modellvarianten verantwortlich sowie die Einführung oft teurer E-Modelle. Schulze kritisiert hier deutsche Hersteller für ihre Preis- und Modellpolitik: „Wenn wir auf die Flottenerneuerung als ein Kernelement für die Erlangung der Klimaschutzziele setzen, kann es nicht sein, dass sich Hersteller aus der Verantwortung ziehen und auf kleine und günstige Modelle ebenso wie auf Modelle in einfacher Ausstattung verzichten, um stattdessen große Premiummodelle anzubieten, bei denen die Marge höher ist.“
Dass die Bundesbürger auch im Urlaub wieder mehr mobil waren, zeigen auch die Zahlen aus dem Bereich Touristik. Insgesamt gab es im Jahr 2022 eine Belebung der Reisetätigkeit, insbesondere für den Sommer und für Auslandsreisen. Zwar ist Deutschland immer noch Reisedestination Nummer eins, aber vor allem Auslandsreisen konnten deutliche Zuwächse verzeichnen. Die ADAC Auswertung von 650.000 Routenplanungen zeigt: Deutschland als Pkw-Reiseziel liegt nach wie vor auf Platz eins, der Anteil der Auto-Urlauber im Inland sank jedoch um vier Prozent. Die größten Gewinner sind Destinationen wie Italien und Frankreich.
Flugreisen in das europäische Ausland legten deutlich zu, während bei Inlandsflügen das Vor-Corona Niveau nicht annähernd erreicht wurde. In diesem Flugreise-Sommer ist vor allem das „Reisechaos“ im Gedächtnis. In den drei Sommermonaten waren Millionen von Passagieren von Annullierungen oder Verspätungen betroffen. ADAC Tourismuspräsident Karlheinz Jungbeck: „Vor dem Hintergrund dieses Reisesommers halten wir es für absolut entscheidend, das Schutzniveau für Flugreisende aufrechtzuerhalten. Das heißt: Es darf keine Anhebung der Grenze von entschädigungsfreien Verspätungen und keine abschließende Formulierung der Liste außergewöhnlicher Umstände im Rahmen der geplanten Überarbeitung der Fluggastrechte auf EU-Ebene geben.“ Die Überprüfung der Zahlungsmodelle für Flugreisen hält der ADAC für vernünftig. Dazu Jungbeck: „Die Vorauszahlungspraxis bei Flugtickets muss im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher angepasst und eine bessere Risikoverteilung erarbeitet werden. Denkbar wäre aus unserer Sicht etwa eine reine Anzahlungspflicht mit einer Restzahlung kurz vor Reisebeginn, wie sie im Pauschalreiserecht bereits vorgesehen ist.“
Bahnreisen erlebten in diesem Reisesommer einen Aufschwung. Hier bereiteten Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Kapazitätsengpässe Schwierigkeiten. „Unter dem Strich hat sich in diesem Jahr gezeigt, dass die touristischen Anbieter durch die Coronapandemie an Leistungsfähigkeit eingebüßt haben. Die hohen Energiekosten sowie die Inflation belasten die Branche weiter. Insofern halten wir es für sinnvoll, Tourismusunternehmen durch Maßnahmen wie etwa die Strom- und Gaspreisbremse zu entlasten“, so Jungbeck.
Dennoch wird es für Verbraucher absehbar zu höheren Preisen kommen, während das Reisebudget sinkt. Ablesbar ist das bereits an einer heute schon großen Buchungszurückhaltung für den Sommer 2023.
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